Mittwoch, 20. Juli: Borgarnes – Mosfellsbær, über die „Walfischbucht…“/106 km

 

4. Oktober 2016 Marsollek

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Blick über die „Camping-Bucht“ bei Ebbe am frühen Morgen  Kurz vor dem Aufbruch, nur das Zelt trocknet nach dem Regen noch in der Sonne.

Der leichte Regen am frühen Morgen hört auf, das Zelt ist schnell trocken.

Ich starte gegen 9 Uhr, noch vor den deutschen Motorradfahrern.

Kaum aus Borgarnes herausgefahren, muss ich über den überbrückten Sund. Der stürmische Seitenwind scheint mich ins Meer drücken zu wollen.

Letzter Zoom-Blick auf das schon ferne Borgarnes (s. Bild darüber)…

Am anderen Ufer wird er aber zum hilfreichen Rückenwind, der mich die Hügel nicht spüren lässt und in ebenen Abschnitten ohne besondere Kraftanforderung eine Dauergeschwindigkeit zwischen 35 und 45 kmh  zulässt.

Nach 20 km ist der Spaß vorbei, der Wind kommt von der Seite und ich muss bald in die Richtung aus der er kommt einbiegen.

Per Rad darf ich nicht durch den etwa 6 km langen Tunnel unter dem Hvalfjörður/Wal(fisch)fjord hindurchradeln, der die Strecke nach Reykjavik um 41 km abkürzt, sondern muss die 70 km lange Straße am Fjordufer entlang benutzen.

 

Sigurjón Ólafsson hat mich gestern schon darauf vorbereitet, mir aber versprochen, dass es eine wunderschöne Strecke ist, fast ohne Verkehr, weil ja beinahe alle via Tunnel in die Hauptstadt brettern.

Der Wind aber ist, trotz aller Streckenreize dennoch heftig und verlangt besondere Anstrengungen.

 

Ich bleibe unweit der Abzweigung stehen, koche mir ein Süppchen, esse meine Brote. Ein isländischer Wagen hält, tschechische Touristen aus Usti nad Labem (Aussig an der Elbe) steigen aus.        Für mich die Gelegenheit, sich nach langen Jahren wieder auf Tschechisch zu unterhalten.                                                                                  Und für sie die Gelegenheit, Deutsch zu sprechen, weil sie der Sprache mächtig sind. Wir teilen uns die Sprachenanteile…

Bald sind die Tschechen weg. Durch den Tunnel. Ich nehme die andere Strecke…

Hier in der Nähe befindet sich ein nirgendwo eingezeichneter aber bewirtschafteter kleiner Campingplatz. Vielleicht nutze ich ihn einmal, wenn ich von Keflavik kommend, nachts die „schlafende“ Hauptstadt passiere, um – ohne Tunnel – in den Nordwesten Islands zu gelangen. 

Die Strecke am Fjord entlang ist wirklich wunderschön. Wäre nicht der Wind, so könnte ich die Fahrt noch mehr genießen.

Nach gut einer Stunde nähere ich mich einer Tankstelle mit leckerem Kuchen.

Benzin brauche ich nicht.

Aber zwei pensionierte Lehrer aus Bonn. Dringend!

Deren Kreditkarten akzeptiert der Automat aber nicht.

Ein freundlicher Isländer hilft ihnen aus der Not heraus, indem er auf seine Kreditkarte ihren Leihwagen volltankt und sie ihn danach mit passend vielen Geldscheinen versorgen.

Eine sehr nette Geste. Die Bonner genießen diese Art Hilfe schon das zweite Mal in Island…

Zeit zur Unterhaltung über Pädagogik, Russisch und über Schüleraustausch mit Russland…

 

…Auf dem weiteren Weg komme ich an einem eingemotteten „Geister-Städtchen“ vorbei, das wie eine Militärbasis anmutet.

Kameraüberwacht, betreten verboten!, warnt ein Schild.

Ein zwischen Europaletten aussortierter Schädel eines Bartenwales – zweimal so lang  wie mein Rad – erweckt mein Interesse. Ich fahre hinein, knipse das Riesenteil und verschwinde schnell wieder. Niemand verfolgt mich…

Von hier aus, am Ende des Fjordes, ist es nicht weit zu Islands höchstem Wasserfall…

30 km später, auf der anderen Fjordseite erfahre ich an einer Informationstafel, dass sich hier – in der „Walfischbucht“ im 2. Weltkrieg eine britische Militärbasis befand mit Wohnhäusern Krankenhaus, Supermarkt, Kino, Fitnesräumen usw..

Ein altes Foto zeigt eindrücklich den mit britischen Kriegsschiffen „vollgepfropften“ Fjord, welche vor der Küste Nordnorwegens zum Beschützen von Konvois und im Kampf gegen die deutsche Kriegsflotte  eingesetzt wurden…

Ich komme auf dem Parkplatz ins Gespräch mit einer vierköpfigen schwedischen Familie, die zum ersten Mal hier ist, sich mit isländischen Leihwagen gerade eine Inselrundfahrt gönnt und von der Fjordstrecke, die noch vor mir liegt, begeistert ist.

Irgendwann, nach endlos ruhiger Zeit, erreiche ich die Ringstraße am Tunnelausgang und der Reykjavikverkehr hat mich wieder. Schrauben, Lava-Rollsplitt, Plastikteile, Glasscherben, Blechteile, Nägel, Holzteile, Schlaglöcher in der Asphaltdecke, Gummiteile: All das und mehr, von den Fahrzeugen an den Seitenstreifen geweht, beansprucht meine Aufmerksamkeit viel stärker, als die in den Süden rollende Blechlawine…Mitunter muss ich die Fahrzeugspur benutzen. Niemand hupt: Dennoch grässlich!

Mit Rückenwind rollt sich´s aber gut .Der auf meiner Karte 20 km vor Reykjavik bei Mosfellsbær eingezeichnete und von mir anvisierte Campingplatz existiert nicht, die autobahnähnliiche Straße ist zudem dort, wo ich ihn zu finden hoffte, wegen dringender Bauarbeiten frisch gesperrt und durch blinkende Baufahrzeuge gesichert.

Abfahren!

Ich folge einer Umleitung in der ganz festen Gewissheit, noch 20-30 km weiterradeln zu müssen.

Wenn´s sein muss, besuche ich die Waldorfschule in Lækjarbotnum zum zweiten Mal. Da weiß ich dann wenigstens, wo ich das Zelt aufschlagen kann…

Der passierte Flugplatz vor mir  macht durch den Krach eines startenden Kleinflugzeuges auf sich aufmerksam. Auf dem Fußballplatz unweit davon herrscht reger Trainingsbetrieb, da ist kein Platz für ein Zelt (Vor Jahrzehnten zelteten wir auch schon mal auf einem Fußballplatz).

Plötzlich aber, oben an einem Hügel und wie herbeigezaubert, der Hinweis auf einen noch nirgendwo verzeichneten Campingplatz mit wunderbarem Ausblick aufs Meer und auf die schon niedrig stehende Sonne.   Duschen sind nicht vorhanden, aber saubere Toiletten mit spartanischen Waschmöglichkeiten.

Ich bin nicht allein, Jan ist gestern per Flieger in Keflavik angekommen: Ein Lagerarbeiter aus Süddeutschland, hier aber ein Tramper mit 15 kg Gepäck und einem 2-Sekunden-Quetschuazelt. Er will in 5 Tagen Island kennenlernen, um später einmal für länger wiederzukommen. Bald höre ich ihn in seinem Zelt schnarchen. Dänen aus Odense kommen im Wohnwagen angefahren. Unsere Unterhaltung stört Jans Schnarchen nicht…

Richard, ein in Hongkong lebender britischer Englischlehrer und seine asiatische Lebensgefährtin, deren kleines Zelt schon steht und die mit ihrem Leihwagen anrollen sprechen mich bald an, bewundern mein Rad und die Ausrüstung. Richard freut sich sehr, als er mein Rad gar ausprobieren darf. Begeisterung pur! Als sie dann auch noch meine Papageitaucherfotos vom Látrabjarg sehen, ärgern sie sich sehr, dass sie viele Tausend Kronen für eine Bootsfahrt bei Húsavik ausgegeben haben, nur um bei schlechter Witterung, aus weiter Entfernung ein paar dieser witzigen Vögel schemenhaft wahrnehmen zu können…

„Der Látrabjarg ist gerade mal eine Tagestour mit dem PKW von hier entfernt!?!“ – versuche ich sie auf den Geschmack zu bringen.

Geht nicht, ihr Rückflug startet schon morgen…

…Der Sonnenuntergang auf den wir spätabends noch lange blicken, entschädigt sie etwas. In etwa gleicher Richtung hinter´m Horizont fliegen die Papageitaucher am Látrabjarg – ganz klein natürlich und sind kaum zu zählen… …Im Norden, also etwas rechts der Sonne, leuchtet die gesperrte Autobahn in ihrem Widerschein und blinkt zusätzlich „aus den Baufahrzeugen heraus“. Trotz später Stunde ist es jetzt noch recht hell…

Gute Nacht!

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