Tour 2016
Aktualisierung 2024: Waldorf on The Road IV Completely different/Iceland by bicycle 2600 km
Dass die Original-Blogeinträge und auch die meiner ersten Islandumrundung von 2016 größtenteils gelöscht wurden, dürfte den Besuchern des „Nachtfalken“/(WAZ-Kreation 2006) inzwischen bewusst sein. Dass die Wortschöpfungen „Waldorf on the Road“ und „From Bochum to the Universe – completely different“ aber hauptsächlich unserer vor Jahren verstorbenen Lehrerin der Oberstufe Barbara Kallies zuzuschreiben sind, weniger. Danke Barbara!
Weil die nachfolgende, hauptsächlich fotografische Zusammenfassung dieser Reise*, auch andere Aspekte einbringt als die der insgesamt über 4100 km langen Rad-Tour 2021 (damals, mitten in der Pandemie mit Tourenrad, Zelt und Reisegitarre per Bahn oder Schiff von Bochum nach Island über Dänemark, die Färöer, um Island herum und bis Bochum zurückgelegt, insgesamt etwa 10.000 Reisekilometer) – seien hier zunächst einige Vorbemerkungen wichtig:
Ich plante eigentlich 2016 über Calais nach Dover zu gelangen, unsere Patenschule in Holywood bei Belfast zu besuchen, ganz Irland mit dem Fahrrad zu umrunden und 2017 auf Island, dem Reiseziel von weltweit vielen Besuchern zu landen.
Es kam anders. Ich erlernte die Grundlagen der Sprache, landete 2016 in Keflavik, umrundete Island, erkrankte 2017 an Krebs (hierzu an anderer Stelle mehr), gelangte nach Gesundung mit Fahrrad samt Zelt und Reisegitarre im Gepäck 2021 (mitten in der Covid 19-Pandemie) auch per Bahn und Schiff von Bochum über Dänemark sowie die autonomen Färöer wieder nach Island, radelte dort über 3100 km weit und kehrte nach Bochum zurück im Glauben, meine letzte extern oft so genannte „Extrem-Radtour“ erlebt zu haben.
2023 aber besuchte ich erstmalig (und ein zweites Mal mit Reisegitarre im Gepäck) Südosteuropa, legte in 11 Etappen (etwa 160-220 km lang) an 16 Reisetagen über 2000 km zurück (s. Tour 2023).
*(Es kann durchaus sein, das sich die jetzt aufbereiteten und öffentlich verfügbaren Aktualisierungen der Waldorf on The Road Touren – From Bochum to the Universe (completely different) I-VI, noch weiter ergänzen (ACHTUNG!, NUR DIE AKTUALISIERUNGEN, NICHT „DARIAS FUNDSACHEN“.)
Sie ergänzen sich um zunächst mir für den Überblick externer „Nachtfalkenbesucher“ wichtig scheinende schriftliche oder fotografische Sequenzen und Videos. So ist auch diese Aktualisierung der Touren von 2016 und 2021 jetzt schon verfügbar. Sie ermöglicht jedermann durch die virtuelle Teilnahme an meinen Reisen, eventuell ergänzt um eigene Erfahrungen und Nachforschungen einen verbesserten, individuellen Einblick.)
Gerade die Erfahrungen der Tour 2023 führten dazu, dass ich 2024, mit 70, erstmals überhaupt die Britischen Inseln besuchen und bis 2029 noch fünf weitere, besondere, ähnliche „Radfernfahrten“ durchführen werde, wenn es sein kann…
Weil die Reisen 2016 und 2021 (Island betreffend) ähnlich verliefen und ich viele „Orte“, Vogelfelsen im Nordosten und Nordwesten, vulkanische Aktivitäten sah bzw. wieder besuchte, und weil die Ausbruchsspuren des den Westmänner-Inseln nahen Vulkans Eyafjallajökull 2010, welcher den gesamteuropäischen Flugverkehr wochenlang lahmlegte 2016 noch deutlich präsent waren, zeigt der nachfolgende „Bildbericht“ viele dieser Spuren und schafft auch viele kurze „Vorblicke“ auf bei Tour 2021 genauer geschilderte und bebilderte Eindrücke.
Die über 500 Zusatzkilometer 2021 fanden hauptsächlich bei „Kletterpartien“ in den auch für Geländefahrzeuge mitunter nur schwer zugänglichen Westfjorden statt. Die Anstrengungen dort wurden mehr als belohnt durch die besonderen Landschaftseindrücke, auch durch überraschende Pottwal- und andere Walsichtungen und „aufgefüllt“ durch viele regelmäßige und ausgedehnte Aufenthalte an warmen bis heißen Bademöglichkeiten. 2016 hingegen stieg das Thermometer in den ersten beiden der 4 Wochen nur einmal auf +11°C, blieb ansonsten darunter. Morgens gab es des Öfteren Raureif.
Ich fror mitunter, besonders in Gletschernähe. Es war mir aber Wert, auch in die Nähe der höchsten Gipfel Islands im Süden zu gelangen, mein Zelt dort wenigstens provisorisch aufzustellen und in der wärmenden Sonne Müßiggang zu pflegen.
2021 war es insgesamt deutlich wärmer.
Viel Freude beim fotografischen „Müßiggang“ durch die Eindrücke meiner Tour „Northern Europe 2016“.
(Die von Daria Thon gefundenen schriftlichen Reisefragmente aus dem Blog 2016 liefern anstelle von Bildlegenden viele Ergänzungen. Ein Stöbern dort lohnt unbedingt.)
Waldorf on The Road IV, Northern Europe 2016 completely different –
„From Bochum to the Universe“
Vestmannaeyjar
Schwarzer Strand (auch schwarze Meereswellen) bei Vik
VIDEO des ins Binnenland kalbenden Gletschers im Vulkanmassiv des Öræfajökull einer kleinen Gletscherzunge des mächtigen Vatnajöküll in Sichtweite des Hvannadalshnúkur, mit 2110m Islands höchstem Gipfel.
Während der 2010 ausgebrochene Vulkan Eyafjallajökull etwa 300 km weiter westlich liegt und dort in Luftlinie nur etwa 30 km von den Vestmannaeyjar im Atlantik entfernt ist, ragt Islands höchster Gipfel in Luftlinie nur 30 km westlich der weltberühmten Gletscherlagune Jökulsárlón am Breidamerkurjökull (ebenfalls eine kleine Gletscherzunge des Vatnajöküll) gen Himmel.
Jökulsárlón, vor etwa einem Jahrhundert noch fester Bestandteil des sich schnell zurückziehenden Gletschers, bildet inzwischen den tiefsten See Islands mit freien Abfluss in den Atlantik. Dass die Asche des Eyafjallajökull, 2010 weit über Island verteilt, die Gletscherschmelze der Vulkaninsel deutlich beschleunigt, kann man anhand des Videos noch besser erahnen…
Link anklicken: Iceland2016Enan12:Marsollek
Alle nachfolgenden Bilder (einschließlich Pressebericht): Die Gletscherlagune Jökulsárlsón jenseits motorisiert erreichbarer Aussichtsmöglichkeiten.
Fast an Islands Nordpol: Raufarhöfn
Die isländische Fahne ist hauptsächlich „gehisst“, um den Lärchensätzling vor Schaden beim bevorstehenden Zeltaufstellen zu bewahren. Selbstverständlich bekam das Bäumchen nicht nur vor meiner Weiterfahrt Wasser gereicht, kam es doch schlecht an den tieferliegenden Fluss heran…
Eine Etappe später:
Video: „Morning Has Broken“ etwa um 3.30 Uhr früh. Unfassbar, dass diese Stelle, absolut unsichtbar für vorbeifahrende Autolenker, keine 100 Schritte von der Ringstraße Nr. 1 entfernt lag, auf der nachts höchstens 3 Fahrzeuge „vorbeibrummten“. Andere hörte ich nicht.
Link anklicken: Iceland2016Enan34a:Marsollek.JPG
Oben und unten vor der Weiterfahrt: Alles Gepäck noch im Zelt verstaut
Gepäck verpackt, Zelt ausgeräumt.
Oben: Der Felsbrocken gab Sichtschutz. Im Bild oben links sind die Schneeräumstangen auf der R 1 zu erahnen…
Unten: Kurz vor der Weiterfahrt nur noch Rad und Zelt an derselben Stelle
Bei Bifröst: Nach erster Rast und Zelttrocknung wenige Stunden danach und viele Stunden vor dem Vogelfelsen Látrabjarg.
Nach der Rückkehr von Látrabjarg und Fährentransfer nach Stykkisholmmur der für Motorisierte obligatorische Pflicht-Campingplatz dort…, gelegentlich auch Radfernreisenden frequentiert.
Die Einwohner Reykjaviks (zwei Drittel der Bewohner Islands leben im Großraum ihrer Hauptstadt) „brettern“ mitunter, wie meine unmittelbaren Zeltnachbarn, hunderte Kilometer nordwärts, um am Wochenende , meistens grillend, das Outdoor-„Alleinsein“ mit freier Aussicht aufs Meer zu genießen.
So entsteht mitunter ein künstliches, nicht scharfen „Schwefelduft“ verströmendes „Ny Reykjavik“/eine „Neue Rauchbucht“…
Gelandet:
Waldorf on the Road II (25. Juni-23. Juli 2016)/ (4 Wochen, 2609 km) Bild-Resümee
17. Oktober 2016 Marsollek
BILDER ERZÄHLEN:
islandkarte1-2a
Látrabjarg
Sprichst du isländisch?
Tobiashus, Lækjarbotnum
„Waldorf-Ferienzirkus“, Lækjarbotnum
„Ferienschmiede“, Lækjarbotnum
„Waldorfhühnerferien“, Lækjarbotnum
“Isländer“(oben/unten)…
Amerikaner (oben)…
Iceland? Klimawandel?…Wikinger…, …auch Isländer…
Fast auf Islands Südpol(bzw. zwischen zwei umstrittenen „Südpolen“)
Westmännerinseln(oben/unten)
Vatnajökullgebiet
MINI-MAX-Temp. in den ersten zwei Wochen: 0°C – 11°C„Personalfreundliche Öffnungszeiten“…Kurz vor dem Sturzflug…Treibholztroll?..
Auf dem „Weg“ zu „Stóri-karl“…,Wo ist das Zelt?Wo ist der Weg?Weg???
Den oben braucht man nicht unbedingt, um überall hinzukommen…
Von der Nordspitze der norwegischen Halbinsel Knivskjellodden mitgebracht (1360 m nördlich des Nordkap), durch Halb-Island befördert und in Islands nördlichster Ortschaft Raufarhöfn, fast am Polarkreis übergeben: Der zweitnördlichste, „frei bewegliche“ Stein Europas…
Unvollendet und seit 10 Jahren im Bau: Riesiges „mystisches“ Monument etwas nördlich von Raufarhöfn, nur wenige Kilometer südlich des Polarkreises. Es beherbergt Steine vom Polarkreis Amerikas, Europas, Asiens…
Das Monument ist übrigens auch auf dem Bild darüber am Horizont zu erahnen, direkt rechts meines Kopfes über dem niedrigeren Gebäude (Der von mir mitgebrachte Stein vom Knivskjellodden – eine wirkliche Rarität – war einmal hunderte Kilometer nördlich des Polarkreises sowie tausende Kilometer nordöstlich der neuen Stelle beheimatet und befindet sich (noch) einen Kilometer südlich des Monumentes)…
…Nach 300 km sehen wir uns trotz Drahtesels wieder: Bustouristen aus Süddeutschland in Akureyri. Das erste Mal…
„Morning Has Broken Like The First Morning…“Islands leckerster, vegetarischer Hamburger!
– Ist der Koch Isländer?
-Nein, Spanier…
Alles hat Seine Zeit…„Nun, fotografiere doch endlich…“, aus 30 cm Entfernung in Ruhe am Látrabjarg möglich…
Mehr Island?
BESONDERE RUNDREISE FÜR JEDERMANN zugänglich in diesem Blog unten…
Samstag: 23. Juli: Sandgerði – Keflavik – Düsseldorf/(10 km + ?) Rückkehr
17. Oktober 2016 Marsollek
islandkarte-28-29
Der – nach internationalen Maßstäben – „übersichtlich große“ Flughafen von Keflavik hat den Vorteil, dass man schnell überall hinkommt.
Es herrscht wenig Betrieb, bis kurz vor Mitternacht habe ich alles im Überblick. Der Blick nach draußen: Durch die dicke Wolkendecke ist alles dunkel, meine erste „Nacht“ in Island, gefühlsmäßig. Die vorgepackten Radtaschen und Mitbringsel finden schnell Platz im großen, wasserdichten Seesack, der 20 kg schwer werden darf, das Handgepäck – auch nur ein Teil – darf als große Radtasche 12 kg wiegen. Das Rad erreicht sein zulässiges höchstgewicht von 23 kg bei weitem nicht. Es wird flugfertig gemacht, mit Helm, Thermokanne und Sicherheitsschloss beschwert. Die Pedale werden abgeschraubt, Lenker, Armgriffe gelöst und verdreht. Ich könnte alles abgeben, das schnelle Einchecken ist jetzt aber noch nicht möglich, der WOW-Air-Schalter öffnet erst zwei Stunden vor dem Start. Pech. An dem noch kurz offenen Schalter einer anderen Fluggesellschaft wiegen mir die netten isländischen Bediensteten das Gepäck ab, der Seesack ist 4 kg zu schwer, das Handgepäck hat noch 1kg Reserve. Ich muss umpacken. Zum Glück finde ich noch die bereits entsorgte Packbandrolle im Mülleimer, ziehe Sessel, Pulli und einige Kleidungsstücke heraus, ziehe mich wärmer an – durchaus nötig -, schichte um: Jetzt müsste es hinhauen. Pro kg Zusatzgepäck wären sonst 25 € fällig. Dass ich 5 kg weniger wiege als bei Hinflug, spielt keine Rolle…
Der Sessel ist ein Segen. Es lässt sich darinnen sitzen, lesen, essen, „dösen“.
Eine geeignete Ecke zum „Rasten“ ist schnell gefunden, ich finde ungestört Ruhe. Nicht aber recht zahlreiche Rucksacktouristen beiderlei Geschlechts, die in der Nähe versuchen, in ihren Schlafsäcken zu entspannen: Ist nicht erlaubt, das Sicherheitspersonal vertreibt sie. Regelmäßig.
Es ist soweit, das Einchecken gelingt ab 4 Uhr problemlos, der Sessel wird am Handgepäck verzurrt, ich habe genug Zeit, Kleinigkeiten zu erstehen und anstelle von Islandpullis – Renata hatte Recht, im Flughafen gibt es tatsächlich eine riesige Buchhandlung – für meine Frau nach Wunsch zwei Handarbeitsbücher zu erstehen. Das erste mit ausschließlich traditionellen isländischen Häkel-, das zweite mit ausschließlich traditionellen isländischen Strickarbeiten.
Großartig! Ich erfreue mich daran gleich bei einem leckeren Wrap an einem der Bistros und maile lustige Bilder daraus an meine „bessere Hälfte“…
Der Rückflug verläuft problemlos. Deutschland hat mich wieder.
Ankunft in Düsseldorf: Und wieder ist etwas verquer: Als ich „Stóri Karl“ nach langer Wartezeit wiedersehe, ist sein Hinterrad nahezu blockiert. Was haben DIE nur damit gemacht?… Ich bekomme es etwas freigedrückt, kann Fahrrad mit Gepäck herausrollen (Zuhause wird das Hinterrad dann in kürzester Zeit gerichtet sein).
Moni wartet geduldig, empfängt mich in der Ausgangshalle mit einem Snack. Ich muss ausgehungert aussehen?! Stimmt! Danke ist zuwenig!!!…
„Über den Wolken“: Beim Hinflug vergaß ich Luft aus den vollgepumpten Reifen abzulassen, ohne Reifenschaden als Folge. Während der 28-tägigen Island-Tour musste ich kein einziges Mal Luft hinzupumpen, wie bei der 10.000 km langen „Waldorf on the Road Fahrt 2013“ übrigens (Berichte in diesesm Blog gaaaanz unten), die sogar 67 Tage lang war… Auch wenn ich nun seit über 20.000 km keine Reifenpanne mehr hatte, und die Reifen von 2013 auch nach 12.000 km noch genug Profil aufwiesen: Der Abrieb des gleichen Reifentyps auf Islands „Straßen-Lava-Belag“ war mindestens viermal größer als in Skandinavien. Im nachhinein verstehe ich es viel besser, dass fast alle Island-Langstreckenradler einen Reservereifen im Gepäck mitführen. Danke Balance Bochum für den Service 2016!…, für die nächste Island-Tour (2017???) benötige ich aber ganz sicher wieder frisches Reifenprofil…
Aus 30 Jahren Erfahrung bei meinen Radtouren mit Schülern der Rudolf Steiner Schule Bochum weiß ich, dass dabei – die geradelten Strecken einzelner Kinder aufsummiert – statistisch nur etwa alle 5000 km eine Reifenpanne auftritt (gutes Vorchecking vorausgesetzt).
ALLERDINGS: Bei meinem für die „18 Nächte zur Mitternachtssonne Tour 2006“ gelieferten „Lancelot“-Rad hatte ich gleich bei der ersten Probetour fünfmal(!) keine Luft im Reifen: Die Hinterradfelge war ab Werk nicht entgratet worden. Balance tauschte sie sofort aus. Danach war tatsächlich erst nach gut 5000 km einmal, während der Südskandinavientour 2007 bei der Rückfahrt der Vorderreifen irgendwo bei Vejle platt (ich radelte damals von Bochum aus über Rügen und Bornholm nach Südschweden und besuchte im Skagerrak die Wüsteninsel Anholt).
Ich werde meinen Schwager Robert Ehrhardt – der mir bei PC-Problemen immer treu zur Seite steht (DANKE!!!) – fragen, ob es bei (seit 2013) seinem „Lancelot“ seitdem nochmals geschehen ist…
Danach mit meiner besseren Hälfte am Harkortberg (Wetter/Ruhr), wo mich in der Vergangenheit schon viele meiner Trainingsfahrten- und Reisevorbereitungen per Inlineskates oder Tourenrad hochführten. Danke auch hier!
Freitag, 22. Juli: SANDGERÐI – (Keflavik – Sandgerði)/18 km: Am Ziel!
17. Oktober 2016 Marsollek
islandkarte-27-28
Ruhetag.
Mußetag.
Tag zum sich Sammeln und Resümieren, aber auch zum Ordnen, Packen, Erinnern, Ausruhen.
NOCH ZEIT HABEN! Das war vor Beginn der Tour schon so eingeplant…
Heute ist ein fast „stationärer“ Tag für mich:
Etwas länger geschlafen, geschrieben, gefrühstückt. Bevor die Kronshages ihre Reise fortsetzen, spritzt Lothar den Bus noch sorgfältig mit klarem Wasser ab. Das ist üblich, mitunter sehr nötig und fast auf allen Zeltplätzen möglich, passiert man doch auf seiner Reise des Öfteren aktive, rauchende Lavafelder mit Schwefel-, Schwefelsäure- und anderen ätzenden, aggressiven Dämpfen, die schnell den Autolack angreifen können. Island, das Land der Gletscher, Geysire und Vulkane! (Kein Witz: Ich werde zum Beispiel erst nach meiner Rückkehr in Bochum bemerken, dass sich mein vor der Reise im wesentlichen silberfarbiger Fahrradhelm mit schwefelgelber Patina überzogen hat. Meine teure, drei Jahre alte Gleitsichtbrille wies vor der Tour erste kleine Schäden an der Spezialbeschichtung auf. Nach der Tour war die Beschichtung praktisch aufgelöst, es wurden neue Gläser fällig…)
Den Wagen „gewässert“, startklar: Auf Wiedersehen in Bochum… Die aus einem finnischen Schulatlas stammende Karte ist übersichtlich: Ich landete nach über dreistündigem Flug vor vier Wochen in Keflavik, umrundete Island von Sandgerði aus entgegen dem Uhrzeigersinn in zweifach größerem Maße als es die rotangedeutete Ringstraße aufzeigt und kam gestern – nach fast 2600 km ausschließlich per Rad – wieder in Sandgerði an. Die Kronshages kamen nach zweitägiger Seefahrt von Hirtshals/DK kommend vor acht Tagen in Seyðisfjörður ganz im Osten an, etwa als ich ungefähr 100 km vor Borgarnes mein allererstes Mal im Leben im Pferdesattel auf Prinz meinem echten isländer Wikingerpferd saß und fuhren im Uhrzeigersinn nach Süden. Längst noch nicht ganz fließend, durchaus aber „sprudelnd“: Já, jech talar núna svo litla íslensku! Die Frage und das Reiselogo entwickelt als Vorhaben. „Kurbeln“ musste ich selbst. Mit Unterstützung bewährter und neuer Partner fiel mir die Optimierung der Ausrüstung aber leicht, sodass „Islandpferd und Papageitaucher“ stellvertretend für alle Vorhaben von „Waldorf on the Road II“ Realität wurden.
Das inzwischen 10 Jahre alte AKTO, (auf beiden Bildern oben, während der Tour 2013), wie unser immer noch voll funktionsfähiges, 29 Jahre altes STALON – und in Weiterentwicklung das neue, diesmal rote ENAN (unten) – haben fertig eingehängte, schnell ausknüpfbare Innenzelte für den „trockenen“ Schlaf bei richtigem Handling; das u.U. außen nasse Reisegepäck hat immer genug Raum unter dem Außenzelt. Das Rad ist Fahrzeug und Träger, es verfügt sogar über Fernlicht und versorgt per USB-Anschluss alle mitgeführte „Reiseelektronik“… Arktischer Bärenklau „leuchtet“ mitunter im Blassorangefarbton, im Küstenbereich islandweit. In Nordnorwegen heißt er „Tromsöpalme“…Tunnelpassagen über kaum 500 m hohe Bergformationen (hier in der Nähe von Höfn) können innerhalb von 1-2 Kilometern und wenigen Minuten Reisezeit vom beständigen Regenwetter in strahlend blaues Himmelspanorama überführen…Das „Schaf im Schafspelz“(bitte nur oben…): Es gibt auf Island mehr Schafe als Isländer. Die meiste Island-Wolle wird jedoch nicht geschoren, sondern geht im Laufe des Sommers verloren: am Strauchwerk, an Moosen, an Steinen…, zum Teil in meterlangen „Strähnen“.Ein Harry Potter Band in der etwa 30. Sprache fürs „Hausarchiv“ und ein erstes Isländischwörterbuch dazu, erstanden in Akureyri. Zwar 1kg Zusatzgepäck, zugleich aber auch Riesenfreude über den Kauf: Ich brauche danach nicht mehr in Reykjavik zu suchen. Das Foto schoss übrigens ein Amerikaner. Es fiel ihm das Waldorflogo meiner Jacke auf: Sein Freund ist in Amerika Waldorflehrer und Extremradler. Die Welt ist klein… OBEN/UNTEN: Absolute Stille in motorfreier Abgeschiedenheit am sehr frühen Morgen oder Touristenhype mit Amphibienfahrzeug, Neoprenanzug und Schwimmweste nur etwa 10 -15 km entfernt und 5 Stunden später am gleichen „Gewässer“? Beides ist möglich…OhneWorte,sprachlos…,
…überall aber auch, hängt in dieser Umgebung, wo es brodelt, „pafft“, plätschert, aus kochend heißen Quellen blau leuchtet und alle paar Minuten zischt, wo Singvögel im Sommer aber dennoch – bis auf die hellen Nachtstunden – ununterbrochen „zwischentirillieren“, beständiger Schwefelgeruch in der Luft…Nachts und am sehr frühen Morgen ist es hier menschenleer (der kleine Zeltplatz ist nur wenige hundert Meter entfernt), zur Tageszeit teilt man die Erlebensfreude gern, wenn es nicht zu eng wird…
ABER: In der Hochsaison verbrühen sich in Geyzir im Schnitt wöchentlich 3 Touristen an der 100°C heißen, etwa 35 m hohen Wasserfontäne durch Missachtung der Beschilderungen und Absperrungen während der Jagd nach sensationellen Selfies…
Ruhetag. Mußetag. Tag zum sich Sammeln und Resümieren, Ordnen, Packen, Erinnern, Ausruhen.
NOCH ZEIT HABEN! Das war vor Beginn der Tour schon so eingeplant…
Michaela und Lothar sind abgereist, neue Gäste bevölkern den Campingplatz. Ich lade das IPhone an einer Steckdose im Duschraum, genieße die heiße Dusche, deponiere – wie andere vor mir – überschüssiges Proviant für die Nachfolgenden in der kleinen geschützten Freiluftnische unter dem Dach des Sanitärgebäudes bei den Geschirrspülbecken: Spaghetti, Olivenöl, Tütensuppen, Butter, Brot, Teebeutel, Trinkflaschen, Dosen, Besteck, Küchenrolle: Alles hier „an dieser reichgedeckten Tafel“ zum Gratisangebot. Am Boden fand ich hier zum Start vor vier Wochen unter den vielen Gasflaschen die passenden halbvollen Dosen für meinen Primus-Multifuel-Kocher. Jetzt landet hier eine volle, kleine Dose, die ich vor über 2000 km als eiserne Reserve im letzten Winkel der Provianttasche verstaut hatte. Die halbvolle, „große“ Flasche mit passendem Gewindeanschluss, die am frühen Abend das „Angebot“ noch vergrößern wird, findet ganz schnell einen glücklichen Weiternutzer.
Renata, die inzwischen eingebürgerte Polin, die hier in Sandgerði ganz in der Nähe wohnen soll, jetzt aber im Netto-Suppermarkt in Keflavik Dienst hat informierte mich damals, dass passende Campinggasflaschen wegen der Explosionsgefahr nicht in Supermärkten, aber an Tankstellen erhältlich ist. Stimmt. Auch am Wochenende.
„Entschuldigung, sprechen Sie Deutsch? Mein Mann ist mit dem Auto zum Einkaufen gefahren und ich sollte kochen. Haben sie einen Dosenöffner? Unser Öffner ist jetzt im Mietauto unterwegs“, spricht mich etwas ratlos eine junge Camperin mit zwei Dosen roter Bohnen in den Händen an, als ich gerade mein Equipment sortiere. Ich habe keinen Dosenöffner, gewinne den „technischen Wettstreit“ aber spielend gegen einen nicht deutsch sprechenden älteren Isländer mit Frau im Campingwagen nebenan, deren Dosenöffner Startschwierigkeiten hat, das 1980 in Tampere erstandene Finnmesser und meine Erfahrung damit aber in weniger als 10 Sekunden das kulinarische Problem lösen.
Kurze Zeit später wird mein Öffnergeschick nochmals von einem anderen jungen Zeltlerpärchen in Anspruch genommen. Als Dank – diesmal kocht der Mann – bekomme ich eine stattliche Portion köstlichen vegetarischen „Curry-Risottos mit Bambussprossen“ serviert – eine willkommene Stärkung vor meinem Ausflug nach Keflavik auf der Suche nach Renata, der Neu-Isländerin.
Auch der Lavaboden der 10 km Trasse von Sandgerði nach Keflavik ist bewachsen mit arktischen Lupinen, „deren Samen bei uns in Deutschland aber nicht keimen wollen“, sagte mir Angelika Jaschke, als ich sie im Tobiashus, bei der Waldorfschule außerhalb Reykjaviks besuchte. Ich finde bei meiner Rad-Spritztour ohne Gepäck „wie im Fluge“ genügend reife Schoten und will nächstes Jahr im Garten einen „Anbauversuch“ wagen.Wilder Thymian wächst islandweit auch an kargsten Stellen und besiedelt als Pionierpflanze Lavaschutt. Auf der Rückfahrt von Keflavik nehme ich zwei kleine Pflänzchen mit etwas Mutterboden mit und verstaue sie am Campingplatz in einer leeren Butterdose (sie werden angehen…). Skyr und einige andere kulinarische Mitbringsel, inzwischen auch in Deutschland eigeführt, bereichern mein Gepäck…
Ach wie schön, Renata ist um 15 Uhr noch im Dienst. Wir erkennen uns gleich wieder und unterhalten uns bestimmt die ersten 10 Minuten lang auf Isländisch, bevor wir – entgültig – in Polnische wechseln. Sie freut sich sehr über die Wiederbegegnung und wurde von ihren Mitarbeitern informiert, dass ich gestern dagewesen bin.
„Wann geht Dein Flug?“, fragt sie. „Morgen um sechs?, da könntest du doch heute um sieben noch auf einen Kaffee vorbeikommen, meinen Mann und den zweijährigen Sohn kennenlernen und wir könnten Quatschen. Ich wohne ganz in der Nähe des Campingplatzes, da werde ich dich abholen. Hoffentlich finde ich dich…“
Welch ein Angebot! Ich nehme es an, auch wenn ich nur Teetrinker bin…
Zurück in Sandgerði koche ich mir eine Riesenportion „öl-butter-kräutergetunte“ Chillibohnen, fertige Reisebrote, motte die Campingküche ein, entsorge an der „Tafel“ Restproviant und Gas, packe das staubtrockene Zelt ein, bepacke Stóri-karl reisefertig und helfe zwischendurch im bequemen Campingsessel lehnend, lesend und ruhend, frisch angekommenen „Dänen aus Amerika“, den Schlüssel für ihre Ferienhütte zu bekommen. Fertig!
Den Beschluss, schon vor dem Besuch bei Renata reisefertig zu sein fasse ich, nachdem ich für die kommende Nacht eine recht hohe Regenwahrscheinlichkeit ausmache. Die isländische Wettervorhersage ist meistens sehr zuverlässig! Auch diesmal.
Kurz nach 19 Uhr kommt Renata mit ihrem zweieinhalbjährigen Söhnchen vorbei – ich kann es trotz Vorwarnung nicht fassen, er ist so groß wie ein Vierjähriger – und holt mich ab.
Ihr Eigenheim, in das sie vor 4 Monaten eingezogen sind, liegt ganz in der Nähe, ist riesig und luxuriös ausgestattet und neben dem Söhnchen, der dem hühnenhaften Papa in die Arme fält, der ganze Stolz der Familie. Auch die von innen erreichbare Doppelgarage hat Fußbodenheizung, die Terrasse vor der Garage auch, damit man im Winter nicht ausrutscht. Standard bei Neubauten. Energiepreise sind niedrig auf der Vulkaninsel.
Sie haben noch viele Anbaupläne mit Wintergarten und Heißwasseraußenpool und, und…
Das Söhnchen braucht dringend ein Schwesterchen (Mamawunsch) oder ein Brüderchen (Papawunsch). Oder beides.
Schwierig.
Papas Schicht beginnt, er verlässt kaum, dass wir uns miteinander bekannt gemacht haben das Haus und räumt nachts mit einer polnischen Putzkolonne alle Supermärkte Keflaviks auf.
Mamas Schicht als Vizechefin bei Netto beginnt kaum eine Stunde nachdem der Papa von der Arbeit zurückgekehrt ist. Ein Kindermädchen hilft als Überbrückung zwischendurch.
Schwierig…
Renatas Mann, versteht nach einem Dutzend Jahren im Lande zwar gut Isländisch, er spricht es aber der Umstände wegen kaum. „Das wird im Februar besser, wenn er in einer kleinen Tischlerei anfängt“, hofft Renata – dort wird nur Isländisch gesprochen…
Beide sind aber über die Auswanderung sehr glücklich. Und froh, etwas sicherer, etwas weiter weg von den Problemen Europas entfernt zu sein. Gerade läuft und schockiert uns im Fernsehen ein Bericht über einen Terroranschlag in München mit vielen Toten, Nizza ist erst ein paar Tage her, die Anschläge von Brüssel und Paris liegen nicht weit zurück…
Kontakt zur ihrer alten Heimat haben sie noch und fliegen auch gelegentlich hin. Im Sommer ist es ihnen dort aber viel zu heiß.
Renata hat als einzige von 6 Geschwistern studieren können. Es war in Polen für die anderen zu teuer. Sie ist dankbar. Ihre Mutter lebt noch. Sie ist viel gereist, hat in vielen Ländern Europas gejobbt, einmal ein halbes Jahr in Norwegen, ohne dafür Lohn erhalten zu haben. Bitter. Deutschland bereiste sie nie: Ihr Großvater starb dort als Zwangsarbeiter. Mich hielt sie bis heute „für einen halben Polen“.
Renata liebt Island, die Menschen, die Offenheit, das Entgegenkommen Fremden gegenüber, den Vertrauensvorschuss den man gewährt, wenn man ihnen Arbeit hierzulande anbietet.
ABER: „Nur, ein Vergehen, ein Strafzettel und du kannst deinen Einbürgerungsantrag für 10 Jahre oder für immer vergessen, so sind die klaren Regeln“, meint sie.
Renata ist sehr stolz darauf, seit 2016 eine frisch eingebürgerte Isländerin zu sein. Die Prüfung – die Sprachkenntnisse betreffend – dem Abitur vergleichbar hat sie noch in guter Erinnerung. Ihr Sohn ist hier geboren, er spricht zwar kaum, ist aber auch Isländer.
Sein Papa ist es noch nicht.
Ich werde von meiner Gastgeberin mit Tee und leckerem Kuchen bis zum Abwinken verwöhnt und bleibe bis 22.30 Uhr zu Gast. Dann verabschieden wir uns ganz herzlich und ich starte erfrischt von Sandgerði aus zum Flughafen Keflavik, der etwa 4 km vom Ort gleichen Namens entfernt ist. Der Regen beginnt, kaum dass ich den Flughafenkomplex erreicht habe.
Ganz lieben Dank für alles und auf Wiedersehen, liebe Renata…
Der isländische Pass das Söhnchen, do zobaczenia, Renato!
Donnerstag, 21. Juli: Mosfellsbær – Sangerði/ 75 km
4. Oktober 2016 Marsollek
islandkarte-26-27
Da ist er ja, mein Alpakapulli…
Es regnet die ganze Nachtzeit hindurch bis in den späten Morgen hinein. Ich wache früh auf, packe, frühstücke, knöpfe das trockene Innenzelt aus, verstaue alles Gepäck in der einen Zelthälfte und habe in der anderen, auf der Isomatte sitzend reichlich viel Platz, um Tagebuch zu schreiben und das Wetter zu studieren.
Im Internet erfahre ich, dass es für Reykjavik die nächsten Tage über keine guten Wetteraussichten gibt, dass der Regen dort aber vormittags aufhört und sich in Sangerði, meinem Zielort, sogar die Sonne nachmittags blicken lassen wird.
Ich tröste zwischendurch Tramper Jan, das Wetter betreffend und fahre gegen 11 Uhr los. Da ist er schon längst unterwegs.
Die Ringstraße ist wieder geöffnet. Nach wenigen Kilometern versorge ich mich im Nettomarkt von Mosfellsbær mit Lebensmitteln und fahre Richtung Hauptstadt. Der Verkehr auf der autobahnmäßig ausgebauten Ringstraße ist grässlich und mindestens zehnmal dichter, als am Sonntag vor fast vier Wochen. Zwischendurch regnet es Bindfäden, die Fahrzeuge scheinen sich um die Fahrstreifen und Abfahrten zu zanken. Der Radler kurbelt dazwischen. Der Seitenstreifen ist selten befahrbar und auf meiner Route am Fahrbahnrand tauchen weiterhin scharfe Gegenstände, Schrauben, Blech-, Holz- und Reifenteile auf. Und zunehmend mehr wassergefüllte Schlaglöcher.
Sehr konzentriert und angestrengt umfahre ich schließlich ewig lange den Moloch Reykjavik in einem Modus, als ob ich morgens auf dem Ruhrschnellweg in Richtung Essen unterwegs wäre.
Wirklich!!!, denn die Ringstraße 1 ist inzwischen eine richtige Stadtautobahn geworden mit zwei Spuren in jede Richtung und häufigen Ein- und Ausfahrten auf denen ich mich fast immer „vogelfrei“ fühle. Mal sehen, wie lange noch Radler hier per Gesetz geduldet werden…
Schilder weisen mir schließlich die Trasse nach Keflavik.
Ich finde den einzigen Parkplatz mit Tisch und Bänkchen zwischen Reykjavik und Keflavik wieder, den ich schon auf der Hinfahrt ansteuerte, raste und esse ausgiebig.
Landende und startende Flugzeuge kreuzen über mir die Autobahn, plötzlich aus den Wolken fallend oder rasch in ihnen verschwindend. Bald ist ein Außenbezirk von Keflavik erreicht. Und ich finde hier das Nettogeschäft wieder, in dem ich an meinem ersten Islandtag Renata, eine seit 13 Jahren in Island lebende, inzwischen eingebürgerte Polin kennengelernt habe.
Ich frage das Personal nach ihr. Renata hat schon seit 16 Uhr Dienstschluss. Vielleicht besuche ich sie morgen, sind ja nur 10 km zu radeln…
Kaum auf dem Zeltplatz angekommen – ich bin gerade im Gespräch mit zwei Studenten aus Österreich, die innerhalb von 2 Wochen per Rad die Insel 800 km weit erkundeten – die Große Überraschung: Die Kronshages aus Bochum, seit dem 14. Juli mit ihrem Reisebus durch Island unterwegs, stehen lachend vor mir! Gerade einmal eine Viertelstunde vor mir kamen sie hier an, machen mich an Rad, Statur und grüner Jacke aus und kommen zur Begrüßung. Welch ein Zufall!… Ich habe während meiner Radtour einige Male erfolglos versucht, bei ihnen anzurufen und auch sie haben an mich gedacht, da wir von unseren Reisevorhaben wussten. Jetzt, da wir in entgegengesetzten Richtungen Island umrundeten, treffen wir uns hier tatsächlich doch noch zum Abschluss meiner Reise.
Da ihre Tochter Linda mich acht Jahre als Klassenlehrer ertragen hatte, ich seit 30 Jahren Lehrer an der Bochumer Schule bin und Michaela bereits seit 1974(!) Waldorferzieherin am Kindergarten, haben wir viel zu erinnern und zu erzählen.
Und natürlich kommen dabei auch unsere in Island gemachten Reiseerfahrungen nicht zu kurz.
Wir haben hier so viel gesehen und dennoch nur ein kleines Bruchstückchen Islands kennengelernt… Ein schöner Nachmittag und Abend, an denen wir genug Zeit finden und an denen sich auch die Sonne tatsächlich immer wieder hat blicken lassen…
…Die österreichischen Radler brechen bald nachdem alles sortiert und gepackt ist, spätnachmittags zum Flughafen auf. Obwohl ihr Flug erst in der Nacht zu morgen startet, so wollen sie doch schon heute einchecken und die Nachtstunden im Flughafengebäude auf irgendwelchen Bänken „verdösen“. Sie schenken mir zum Abschied noch die angebrauchte Rolle Packbandes, mit der ich morgen mein Rad flugtauglich präparieren kann. In vier Supermärkten, zuletzt heute in Keflavik, suchte ich danach vergeblich. Die Rolle Tesaband, 1,5 cm breit, lasse ich hier zurück. Sicher findet sie der Richtige. Danke!
Wie es wohl Jan heute ergangen ist, dem Tramper aus Süddeutschland? Heute? Tatsächlich, er verließ heute etwa eine Stunde vor mir, also vor gerade mal einem halben Tag zu Fuß den Zeltplatz in Mosfellsbær. Die Zeit scheint stillzustehen…
Mittwoch, 20. Juli: Borgarnes – Mosfellsbær, über die „Walfischbucht…“/106 km
4. Oktober 2016 Marsollek
islandkarte-25-26
Blick über die „Camping-Bucht“ bei Ebbe am frühen Morgen Kurz vor dem Aufbruch, nur das Zelt trocknet nach dem Regen noch in der Sonne.
Der leichte Regen am frühen Morgen hört auf, das Zelt ist schnell trocken.
Ich starte gegen 9 Uhr, noch vor den deutschen Motorradfahrern.
Kaum aus Borgarnes herausgefahren, muss ich über den überbrückten Sund. Der stürmische Seitenwind scheint mich ins Meer drücken zu wollen.
Letzter Zoom-Blick auf das schon ferne Borgarnes (s. Bild darüber)…
Am anderen Ufer wird er aber zum hilfreichen Rückenwind, der mich die Hügel nicht spüren lässt und in ebenen Abschnitten ohne besondere Kraftanforderung eine Dauergeschwindigkeit zwischen 35 und 45 kmh zulässt.
Nach 20 km ist der Spaß vorbei, der Wind kommt von der Seite und ich muss bald in die Richtung aus der er kommt einbiegen.
Per Rad darf ich nicht durch den etwa 6 km langen Tunnel unter dem Hvalfjörður/Wal(fisch)fjord hindurchradeln, der die Strecke nach Reykjavik um 41 km abkürzt, sondern muss die 70 km lange Straße am Fjordufer entlang benutzen.
Sigurjón Ólafsson hat mich gestern schon darauf vorbereitet, mir aber versprochen, dass es eine wunderschöne Strecke ist, fast ohne Verkehr, weil ja beinahe alle via Tunnel in die Hauptstadt brettern.
Der Wind aber ist, trotz aller Streckenreize dennoch heftig und verlangt besondere Anstrengungen.
Ich bleibe unweit der Abzweigung stehen, koche mir ein Süppchen, esse meine Brote. Ein isländischer Wagen hält, tschechische Touristen aus Usti nad Labem (Aussig an der Elbe) steigen aus. Für mich die Gelegenheit, sich nach langen Jahren wieder auf Tschechisch zu unterhalten. Und für sie die Gelegenheit, Deutsch zu sprechen, weil sie der Sprache mächtig sind. Wir teilen uns die Sprachenanteile…
Bald sind die Tschechen weg. Durch den Tunnel. Ich nehme die andere Strecke…
Hier in der Nähe befindet sich ein nirgendwo eingezeichneter aber bewirtschafteter kleiner Campingplatz. Vielleicht nutze ich ihn einmal, wenn ich von Keflavik kommend, nachts die „schlafende“ Hauptstadt passiere, um – ohne Tunnel – in den Nordwesten Islands zu gelangen.
Die Strecke am Fjord entlang ist wirklich wunderschön. Wäre nicht der Wind, so könnte ich die Fahrt noch mehr genießen.
Nach gut einer Stunde nähere ich mich einer Tankstelle mit leckerem Kuchen.
Benzin brauche ich nicht.
Aber zwei pensionierte Lehrer aus Bonn. Dringend!
Deren Kreditkarten akzeptiert der Automat aber nicht.
Ein freundlicher Isländer hilft ihnen aus der Not heraus, indem er auf seine Kreditkarte ihren Leihwagen volltankt und sie ihn danach mit passend vielen Geldscheinen versorgen.
Eine sehr nette Geste. Die Bonner genießen diese Art Hilfe schon das zweite Mal in Island…
Zeit zur Unterhaltung über Pädagogik, Russisch und über Schüleraustausch mit Russland…
…Auf dem weiteren Weg komme ich an einem eingemotteten „Geister-Städtchen“ vorbei, das wie eine Militärbasis anmutet.
Kameraüberwacht, betreten verboten!, warnt ein Schild.
Ein zwischen Europaletten aussortierter Schädel eines Bartenwales – zweimal so lang wie mein Rad – erweckt mein Interesse. Ich fahre hinein, knipse das Riesenteil und verschwinde schnell wieder. Niemand verfolgt mich…
Von hier aus, am Ende des Fjordes, ist es nicht weit zu Islands höchstem Wasserfall…
30 km später, auf der anderen Fjordseite erfahre ich an einer Informationstafel, dass sich hier – in der „Walfischbucht“ im 2. Weltkrieg eine britische Militärbasis befand mit Wohnhäusern Krankenhaus, Supermarkt, Kino, Fitnesräumen usw..
Ein altes Foto zeigt eindrücklich den mit britischen Kriegsschiffen „vollgepfropften“ Fjord, welche vor der Küste Nordnorwegens zum Beschützen von Konvois und im Kampf gegen die deutsche Kriegsflotte eingesetzt wurden…
Ich komme auf dem Parkplatz ins Gespräch mit einer vierköpfigen schwedischen Familie, die zum ersten Mal hier ist, sich mit isländischen Leihwagen gerade eine Inselrundfahrt gönnt und von der Fjordstrecke, die noch vor mir liegt, begeistert ist.
Irgendwann, nach endlos ruhiger Zeit, erreiche ich die Ringstraße am Tunnelausgang und der Reykjavikverkehr hat mich wieder. Schrauben, Lava-Rollsplitt, Plastikteile, Glasscherben, Blechteile, Nägel, Holzteile, Schlaglöcher in der Asphaltdecke, Gummiteile: All das und mehr, von den Fahrzeugen an den Seitenstreifen geweht, beansprucht meine Aufmerksamkeit viel stärker, als die in den Süden rollende Blechlawine…Mitunter muss ich die Fahrzeugspur benutzen. Niemand hupt: Dennoch grässlich!
Mit Rückenwind rollt sich´s aber gut .Der auf meiner Karte 20 km vor Reykjavik bei Mosfellsbær eingezeichnete und von mir anvisierte Campingplatz existiert nicht, die autobahnähnliiche Straße ist zudem dort, wo ich ihn zu finden hoffte, wegen dringender Bauarbeiten frisch gesperrt und durch blinkende Baufahrzeuge gesichert.
Abfahren!
Ich folge einer Umleitung in der ganz festen Gewissheit, noch 20-30 km weiterradeln zu müssen.
Wenn´s sein muss, besuche ich die Waldorfschule in Lækjarbotnum zum zweiten Mal. Da weiß ich dann wenigstens, wo ich das Zelt aufschlagen kann…
Der passierte Flugplatz vor mir macht durch den Krach eines startenden Kleinflugzeuges auf sich aufmerksam. Auf dem Fußballplatz unweit davon herrscht reger Trainingsbetrieb, da ist kein Platz für ein Zelt (Vor Jahrzehnten zelteten wir auch schon mal auf einem Fußballplatz).
Plötzlich aber, oben an einem Hügel und wie herbeigezaubert, der Hinweis auf einen noch nirgendwo verzeichneten Campingplatz mit wunderbarem Ausblick aufs Meer und auf die schon niedrig stehende Sonne. Duschen sind nicht vorhanden, aber saubere Toiletten mit spartanischen Waschmöglichkeiten.
Ich bin nicht allein, Jan ist gestern per Flieger in Keflavik angekommen: Ein Lagerarbeiter aus Süddeutschland, hier aber ein Tramper mit 15 kg Gepäck und einem 2-Sekunden-Quetschuazelt. Er will in 5 Tagen Island kennenlernen, um später einmal für länger wiederzukommen. Bald höre ich ihn in seinem Zelt schnarchen. Dänen aus Odense kommen im Wohnwagen angefahren. Unsere Unterhaltung stört Jans Schnarchen nicht…
Richard, ein in Hongkong lebender britischer Englischlehrer und seine asiatische Lebensgefährtin, deren kleines Zelt schon steht und die mit ihrem Leihwagen anrollen sprechen mich bald an, bewundern mein Rad und die Ausrüstung. Richard freut sich sehr, als er mein Rad gar ausprobieren darf. Begeisterung pur! Als sie dann auch noch meine Papageitaucherfotos vom Látrabjarg sehen, ärgern sie sich sehr, dass sie viele Tausend Kronen für eine Bootsfahrt bei Húsavik ausgegeben haben, nur um bei schlechter Witterung, aus weiter Entfernung ein paar dieser witzigen Vögel schemenhaft wahrnehmen zu können…
„Der Látrabjarg ist gerade mal eine Tagestour mit dem PKW von hier entfernt!?!“ – versuche ich sie auf den Geschmack zu bringen.
Geht nicht, ihr Rückflug startet schon morgen…
…Der Sonnenuntergang auf den wir spätabends noch lange blicken, entschädigt sie etwas. In etwa gleicher Richtung hinter´m Horizont fliegen die Papageitaucher am Látrabjarg – ganz klein natürlich und sind kaum zu zählen… …Im Norden, also etwas rechts der Sonne, leuchtet die gesperrte Autobahn in ihrem Widerschein und blinkt zusätzlich „aus den Baufahrzeugen heraus“. Trotz später Stunde ist es jetzt noch recht hell…
Gute Nacht!