Freitag, 15. Juli: Holtavörðurheiði – Borgarnes – Stykkishólmur(Ist der Koch Isländer?)/ 175 km

 

23. August 2016 Marsollek

Islandkarte 20-21

Ich wache schon um 3.30 Uhr auf. Sonnenstrahlung wärmt von links(?) meinen Ellenbogen auf. Kein Regen mehr?                                                                                                                        Kein Nebel?                                                                                                                                Kaum dass ich das Zelt verlasse, bin ich augenblicklich wach:                                                Durch ein Wolkenloch im Nord-Nordosten, tief am Horizont, scheint die Sonne hindurch und tunkt die Landschaft ringsum in wunderschöne Farben.

Es ist Windstill. Die dicken, fetten Moospolster der Landschaft und des mich von der Ringstraße abschirmenden Felsens schlafen noch. Die paradiesische Stille wird nur gelegentlich akzentuiert durch kurze „Sonnengesangs“-Sequenzen miteinander kommunizierender aber kilometerweit verstreuter Singschwänepaare in ihren von meiner „Hochwarte“ aus wie Pfützen anmutenden kleinen Seen um mich herum.  Ich mache viele faszinierende Fotos und…,

…beginne zu packen, wobei die meisten Stücke schon reisefertig verpackt im Außenzelt „übernachteten“.                                                                                                                     Leichter, leiser Wind kommt auf. In Fahrtrichtung.                                                                   Trotz des nur kurzen Schlafes fühle ich mich ausgeruht und richtig gestärkt von der Abendmahlzeit,                                                                                                                            freue mich auf die bevorstehende, viele Kilometer lange Abfahrt …

Die nur einen guten Steinwurf weit entfernte Ringstraße ist im Stehen gut auszumachen.

Das Gepäck ist schon oben, Zelt und Rad folgen…
Von dort bin ich gestern hergeradelt…

…  und nach dort, zunächst in Richtung Borgarnes rollt es gleich weiter (auf den kommenden 40 Kilometern wird mir nur ein Fahrzeug mit einem eiligem Chaufeur und schlafendem Beifahrer drinnen entgegen kommen, aber viele verdutzte Schafe glotzend am Rand oder auf der Ringstraße stehen  – meistens Mutterschafe mit zwei Lämmern -, die ihren Weg auf die Fahrbahn gefunden haben und von meiner Messingklingel vorsichtshalber kurz, dezent und immer wirkungsvoll aus etwa 100 m Entfernung „weggeklingelt“ werden).

Kurz nach fünf starte ich und blicke von der Straße aus sehr dankbar auf die bemooste Steinformation hinunter, hinter der verborgen – gerade 89 Schritte entfernt (ich habe es gezählt) – noch vor einer Viertelstunde das Zelt stand.                                                               Nur 300 m und der höchste Punkt der Strecke ist erreicht. Ich komme bergab gerade gut in Schwung, passiere die Gemeindegrenze von Borgarnes. Nanu…, da klingelt der Wecker!…

Nach kurzem Stop geht es im „Sausetritt“ 20 km bergab über eine wunderschöne Landschaft. Der Fluss begleitet mich, wechselt mehrfach die Straßenseite. Etwa einen Kilometer vor mir fliegt ein Schwan von seinem Gewässer hoch, kommt auf Erkundungsflug auf mich zu und beginnt wenige Meter über meinem Kopf einen wunderlangen Gesang. Traumhaft, sonst hörte ich schon oft auf meiner Fahrt oder im Zelt die Singschwäne durch  kurze Beiträge ihrem Namen alle Ehre zu machen: dieser Vogel scheint mir ein Morgenkonzert geben zu wollen…

Im Flug kann ich die nordischen Schwäne von „unseren“ nicht unterscheiden, beim nahen Vorbeiflug aber wirken der hellgelbe Schnabel und der schlanke Kopf viel windschnittiger – sie sind es wohl auch – als die Köpfe ihrer südlicheren Kumpane…

Nach weiteren 10-15 km bleibe ich vor einem ganz frisch gebildeten Vulkan, mit einer bequem mittels Holzstiegen aufbereiteten Aussichtsaufstiegsmöglichkeit zum Kraterrand kurz vor Bifröst stehen an einem Parkplatz mit eingefriedetem Rasenstück. Der gehört zu einem Vulkansystem von mehreren Kratern, frisch ausgebrochen vor gerade einmal 1000 Jahren… Mehrere Autos mit Insassen „übernachten“ auf dem Parkplatz mit Informationstafeln.                   Wunderbar für mich: Frühstück und Zelttrocknung im windigen Sonnenlicht…

Der Wind meint es gut mit mir, baut sich in Richtung Borgarnes für mich auf und schiebt mich kräftig.

Die Vulkanlandschaft vermittelt den Eindruck als ob der Ausbruch erst gestern stattgefunden hätte…

Bilder oben: „Fern-Universitätsort“ Bifröst…

Vom Fjord kommt leichter Regen auf, der aber bald aufhört. Die letzten Kilometer vor der Stadt verstärkt sich der starke Wind noch und dreht um 90° in Richtung meiner nächsten Station, die ich dann heute vielleicht doch noch erreichen kann: Stykkishólmmur. Von dort aus kann mich die kleine Fähre zu den  Papageitauchern bringen…

Am Kreisel wenige Kilometer vor Borgarnes stocke ich kurz: 97 km bis zur Fahre, sagt mir das Schild. Na dann wollen wir ja hoffen  – mein Rad und ich –, dass das Gelände nicht zu schwer ist.

Noch ein Kreisel, die Ringstraße Nr.1 biegt nach links in Richtung der für mich nur noch knapp eine Tagestour entfernten Hauptstadt ab. Ich muss geradeaus. Für den Proviant reicht das Geld noch, ich muss aber auch zur Bank.

Der Wind verstärkt sich inzwischen so sehr, dass er beim Proviantverstauen, von mir unbemerkt, die stehende halbvolle 2l-Mineralwasserflasche wegkickt. Einer der Autofahrer, die sich fürs Wochenende mit Bier versorgten und ihre Gepäckräume „befüllen“, bringt sie mir: Gelegenheit zum Gespräch.                                                                                     Fremdbestimmtes Thema: Natürlich meine Radtour, „Island rund mit Umwegen in 19 Tagen!!!

Am Bankautomaten 40.000 Kronen/300€ abgehoben, die Gebühr beträgt dafür nur etwa 1,50€.

Zurück zum Kreisel nach Stykkishólmmur. Viele Autos, Großstadtgetriebe. Der Seitenwind wirft mich fast um.

Nach dem Einbiegen herrliche Windfahrt.

Nach 30 km staubige Essenspause am Straßenrand. Weiter.

Nanu, eine Fata Morgana? Sehe ich da einen Pferdekopf?

Nein, es ist nur eine feuchte Stelle in der Böschung…, wahrscheinlich ist mein Wahrnehmungsvermögen etwas getrübt durch die gestrige Reiterfahrung… War das erst gestern mit dem Reiten???                                                                                                          Auch die Wahrnehmung der Zeit scheint gestört zu sein…

Aus dem Reisetagebuch:                                                                                                                In Wegamót  am Tankstellenrestaurant Essenspause. Viele deutsche, mein Rad wird bewundert, ich bleibe drinnen.                                                                                                                        Sehr nette Bedienung: Magndis, die mich zum leckeren vegetarischen Burger mit Salat überredet. Freudiges, ungläubiges Staunen über mein Isländisch. Eine große Karaffe Wasser zum Burger. Der selbst schmeckt herrlich, wohl der beste fleischlose  Hamburger, den ich seit einem unserer Adventsbasare vor vielen Jahren vom inzwischen verstorbenen ehemaligen Chefkoch des Herdecker Gemeinschaftskrankenhauses BÖHM serviert bekam, der seinen Sohn Jan in meinem ersten Klassenlehrerdurchgang schickte (viele liebe Grüße auch an die Mama, lieber Jan, falls Du dies lesen solltest…).

Der Salat mit vielen Zwiebeln und köstlich gewürzt: „Ist der Koch Isländer?“, frage ich ungläubig Magndis. „Nein, Spanier“, antwortet sie lachend!

Ich bitte den Koch zum offiziellen Abschiedsfoto, der kommt hocherfreut mit seinem Helfer aus der Küche heraus, Magndis gesellt sich dazu, ein freundlicher Isländer übernimmt auf meine Bitte hin den Fotografendienst.

Ich entschuldige mich, dass ich noch kein Spanisch kann und es erst im übernächsten Jahr, nach Italienisch 2017 angehen will.

Die allgemeine Freude ist groß, ich verspreche, bei meiner Rückreise nochmals „auf einen Hamburger“ vorbeizuschauen…

 

Die frische Asphaltdecke ist oft grob, scharf (wie ich am Abrieb meiner Reifen deutlich feststelle) und am Rande oft noch völlig unbefestigt: Gefährliche Sturzfalle für unaufmerksame Radler…

Aus dem Reisetagebuch:

Weiter. Ein mehrere hundert Meter hoher Anstieg auf den letzten 40 km.

Mitte des Berges holt mich ein isländischer Radrennfahrer (Sigurd?42) ein. Er wohnt in Reykjavik, verbringt das Wochenende hier und dreht eine 160km Nachmittagsrunde. Sportlich!!!

„Mein Freund sei auf einer Weltreise“, sagt er, „von Dänemark aus nach Asien, Vietnam, Kambodscha  und zurück, zur Zeit in Frankreich auf dem Weg nach Schottland“.                                              „Nach Schottland wollte ich eigentlich diesen Sommer hin“, erzähle ich ihm, „beschloss aber, lieber dieses Jahr nach den skandinavischen Sprachen Isländisch zu lernen und die Insel per Rad zu umrunden“.

„Jau, jau,(so klingt „ja“ auf Isländisch), ich höre deinen skandinavischen Akzent“, entgegnet er mir, was ich als ein übergroßes Kompliment empfinde.

„Kommt noch ein großer Anstieg bei der Weiterfahrt?“, frage ich, als wir plötzlich oben sind. 

„Nein, das war schon alles, jetzt geht es nur noch herunter“ entgegnet er mir lachend.                   Wir bedanken uns gegenseitig fürs Gespräch, wünschen einander „god ferð“ und weg ist er!

Aus dem Reisetagebuch:                                                                                                           Gegen 20.15 Uhr komme ich auf dem übervollen, großen Campingplatz in Stykkishólmmur an. Internet frei, aber sehr schwach. Bilder können nicht verschickt werden. Kurzes Gespräch mit einem isländischen Baby, das zufällig seinen Ball auf mein Zelt warf und danach ein Gespräch mit zwei jungen Isländerinnen aus Reykjavik, die ganz eng neben mir Zelten.

Ich falle um 22.30 in Schlaf. Die Fähre geht morgen um 9.00 Uhr.

„Open air Duschkabine“, mit Himmelblick direkt an das Sanitärgebäude ohne Duschen „gepappt“. Gratis, aber eine luftige Angelegenheit bei unter 10°C Lufttemperatur…               Zwei davon müssen für den gesamten Campingplatz ausreichen…

Oben/Unten: „Kontraste“ hinsichtlich verschiedener Übernachtungsmöglichkeiten nur 175 km voneinander entfernt (So lang war tatsächlich meine heutige, wenig anstrengende aber sehr „erlebnisbunte“  Tagesetappe auf dem Weg zu den nicht weniger bunten Papageitauchern, denen ich in Bälde zuhauf am Látrabjarg, einem der weltgrößten Vogelfelsen (14 km lang, über 400 m hoch) tatsächlich mitunter „auf Armabstand“ begegnen werde…).

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