Tour 2016
Aktualisierung 2024: Waldorf on The Road IV Completely different/Iceland by bicycle 2600 km
Dass die Original-Blogeinträge und auch die meiner ersten Islandumrundung von 2016 größtenteils gelöscht wurden, dürfte den Besuchern des „Nachtfalken“/(WAZ-Kreation 2006) inzwischen bewusst sein. Dass die Wortschöpfungen „Waldorf on the Road“ und „From Bochum to the Universe – completely different“ aber hauptsächlich unserer vor Jahren verstorbenen Lehrerin der Oberstufe Barbara Kallies zuzuschreiben sind, weniger. Danke Barbara!
Weil die nachfolgende, hauptsächlich fotografische Zusammenfassung dieser Reise*, auch andere Aspekte einbringt als die der insgesamt über 4100 km langen Rad-Tour 2021 (damals, mitten in der Pandemie mit Tourenrad, Zelt und Reisegitarre per Bahn oder Schiff von Bochum nach Island über Dänemark, die Färöer, um Island herum und bis Bochum zurückgelegt, insgesamt etwa 10.000 Reisekilometer) – seien hier zunächst einige Vorbemerkungen wichtig:
Ich plante eigentlich 2016 über Calais nach Dover zu gelangen, unsere Patenschule in Holywood bei Belfast zu besuchen, ganz Irland mit dem Fahrrad zu umrunden und 2017 auf Island, dem Reiseziel von weltweit vielen Besuchern zu landen.
Es kam anders. Ich erlernte die Grundlagen der Sprache, landete 2016 in Keflavik, umrundete Island, erkrankte 2017 an Krebs (hierzu an anderer Stelle mehr), gelangte nach Gesundung mit Fahrrad samt Zelt und Reisegitarre im Gepäck 2021 (mitten in der Covid 19-Pandemie) auch per Bahn und Schiff von Bochum über Dänemark sowie die autonomen Färöer wieder nach Island, radelte dort über 3100 km weit und kehrte nach Bochum zurück im Glauben, meine letzte extern oft so genannte „Extrem-Radtour“ erlebt zu haben.
2023 aber besuchte ich erstmalig (und ein zweites Mal mit Reisegitarre im Gepäck) Südosteuropa, legte in 11 Etappen (etwa 160-220 km lang) an 16 Reisetagen über 2000 km zurück (s. Tour 2023).
*(Es kann durchaus sein, das sich die jetzt aufbereiteten und öffentlich verfügbaren Aktualisierungen der Waldorf on The Road Touren – From Bochum to the Universe (completely different) I-VI, noch weiter ergänzen (ACHTUNG!, NUR DIE AKTUALISIERUNGEN, NICHT „DARIAS FUNDSACHEN“.)
Sie ergänzen sich um zunächst mir für den Überblick externer „Nachtfalkenbesucher“ wichtig scheinende schriftliche oder fotografische Sequenzen und Videos. So ist auch diese Aktualisierung der Touren von 2016 und 2021 jetzt schon verfügbar. Sie ermöglicht jedermann durch die virtuelle Teilnahme an meinen Reisen, eventuell ergänzt um eigene Erfahrungen und Nachforschungen einen verbesserten, individuellen Einblick.)
Gerade die Erfahrungen der Tour 2023 führten dazu, dass ich 2024, mit 70, erstmals überhaupt die Britischen Inseln besuchen und bis 2029 noch fünf weitere, besondere, ähnliche „Radfernfahrten“ durchführen werde, wenn es sein kann…
Weil die Reisen 2016 und 2021 (Island betreffend) ähnlich verliefen und ich viele „Orte“, Vogelfelsen im Nordosten und Nordwesten, vulkanische Aktivitäten sah bzw. wieder besuchte, und weil die Ausbruchsspuren des den Westmänner-Inseln nahen Vulkans Eyafjallajökull 2010, welcher den gesamteuropäischen Flugverkehr wochenlang lahmlegte 2016 noch deutlich präsent waren, zeigt der nachfolgende „Bildbericht“ viele dieser Spuren und schafft auch viele kurze „Vorblicke“ auf bei Tour 2021 genauer geschilderte und bebilderte Eindrücke.
Die über 500 Zusatzkilometer 2021 fanden hauptsächlich bei „Kletterpartien“ in den auch für Geländefahrzeuge mitunter nur schwer zugänglichen Westfjorden statt. Die Anstrengungen dort wurden mehr als belohnt durch die besonderen Landschaftseindrücke, auch durch überraschende Pottwal- und andere Walsichtungen und „aufgefüllt“ durch viele regelmäßige und ausgedehnte Aufenthalte an warmen bis heißen Bademöglichkeiten. 2016 hingegen stieg das Thermometer in den ersten beiden der 4 Wochen nur einmal auf +11°C, blieb ansonsten darunter. Morgens gab es des Öfteren Raureif.
Ich fror mitunter, besonders in Gletschernähe. Es war mir aber Wert, auch in die Nähe der höchsten Gipfel Islands im Süden zu gelangen, mein Zelt dort wenigstens provisorisch aufzustellen und in der wärmenden Sonne Müßiggang zu pflegen.
2021 war es insgesamt deutlich wärmer.
Viel Freude beim fotografischen „Müßiggang“ durch die Eindrücke meiner Tour „Northern Europe 2016“.
(Die von Daria Thon gefundenen schriftlichen Reisefragmente aus dem Blog 2016 liefern anstelle von Bildlegenden viele Ergänzungen. Ein Stöbern dort lohnt unbedingt.)
Waldorf on The Road IV, Northern Europe 2016 completely different –
„From Bochum to the Universe“
Vestmannaeyjar
Schwarzer Strand (auch schwarze Meereswellen) bei Vik
VIDEO des ins Binnenland kalbenden Gletschers im Vulkanmassiv des Öræfajökull einer kleinen Gletscherzunge des mächtigen Vatnajöküll in Sichtweite des Hvannadalshnúkur, mit 2110m Islands höchstem Gipfel.
Während der 2010 ausgebrochene Vulkan Eyafjallajökull etwa 300 km weiter westlich liegt und dort in Luftlinie nur etwa 30 km von den Vestmannaeyjar im Atlantik entfernt ist, ragt Islands höchster Gipfel in Luftlinie nur 30 km westlich der weltberühmten Gletscherlagune Jökulsárlón am Breidamerkurjökull (ebenfalls eine kleine Gletscherzunge des Vatnajöküll) gen Himmel.
Jökulsárlón, vor etwa einem Jahrhundert noch fester Bestandteil des sich schnell zurückziehenden Gletschers, bildet inzwischen den tiefsten See Islands mit freien Abfluss in den Atlantik. Dass die Asche des Eyafjallajökull, 2010 weit über Island verteilt, die Gletscherschmelze der Vulkaninsel deutlich beschleunigt, kann man anhand des Videos noch besser erahnen…
Link anklicken: Iceland2016Enan12:Marsollek
Alle nachfolgenden Bilder (einschließlich Pressebericht): Die Gletscherlagune Jökulsárlsón jenseits motorisiert erreichbarer Aussichtsmöglichkeiten.
Fast an Islands Nordpol: Raufarhöfn
Die isländische Fahne ist hauptsächlich „gehisst“, um den Lärchensätzling vor Schaden beim bevorstehenden Zeltaufstellen zu bewahren. Selbstverständlich bekam das Bäumchen nicht nur vor meiner Weiterfahrt Wasser gereicht, kam es doch schlecht an den tieferliegenden Fluss heran…
Eine Etappe später:
Video: „Morning Has Broken“ etwa um 3.30 Uhr früh. Unfassbar, dass diese Stelle, absolut unsichtbar für vorbeifahrende Autolenker, keine 100 Schritte von der Ringstraße Nr. 1 entfernt lag, auf der nachts höchstens 3 Fahrzeuge „vorbeibrummten“. Andere hörte ich nicht.
Link anklicken: Iceland2016Enan34a:Marsollek.JPG
Oben und unten vor der Weiterfahrt: Alles Gepäck noch im Zelt verstaut
Gepäck verpackt, Zelt ausgeräumt.
Oben: Der Felsbrocken gab Sichtschutz. Im Bild oben links sind die Schneeräumstangen auf der R 1 zu erahnen…
Unten: Kurz vor der Weiterfahrt nur noch Rad und Zelt an derselben Stelle
Bei Bifröst: Nach erster Rast und Zelttrocknung wenige Stunden danach und viele Stunden vor dem Vogelfelsen Látrabjarg.
Nach der Rückkehr von Látrabjarg und Fährentransfer nach Stykkisholmmur der für Motorisierte obligatorische Pflicht-Campingplatz dort…, gelegentlich auch Radfernreisenden frequentiert.
Die Einwohner Reykjaviks (zwei Drittel der Bewohner Islands leben im Großraum ihrer Hauptstadt) „brettern“ mitunter, wie meine unmittelbaren Zeltnachbarn, hunderte Kilometer nordwärts, um am Wochenende , meistens grillend, das Outdoor-„Alleinsein“ mit freier Aussicht aufs Meer zu genießen.
So entsteht mitunter ein künstliches, nicht scharfen „Schwefelduft“ verströmendes „Ny Reykjavik“/eine „Neue Rauchbucht“…
Gelandet:
Waldorf on the Road II (25. Juni-23. Juli 2016)/ (4 Wochen, 2609 km) Bild-Resümee
17. Oktober 2016 Marsollek
BILDER ERZÄHLEN:
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Látrabjarg
Sprichst du isländisch?
Tobiashus, Lækjarbotnum
„Waldorf-Ferienzirkus“, Lækjarbotnum
„Ferienschmiede“, Lækjarbotnum
„Waldorfhühnerferien“, Lækjarbotnum
“Isländer“(oben/unten)…
Amerikaner (oben)…
Iceland? Klimawandel?…Wikinger…, …auch Isländer…
Fast auf Islands Südpol(bzw. zwischen zwei umstrittenen „Südpolen“)
Westmännerinseln(oben/unten)
Vatnajökullgebiet
MINI-MAX-Temp. in den ersten zwei Wochen: 0°C – 11°C„Personalfreundliche Öffnungszeiten“…Kurz vor dem Sturzflug…Treibholztroll?..
Auf dem „Weg“ zu „Stóri-karl“…,Wo ist das Zelt?Wo ist der Weg?Weg???
Den oben braucht man nicht unbedingt, um überall hinzukommen…
Von der Nordspitze der norwegischen Halbinsel Knivskjellodden mitgebracht (1360 m nördlich des Nordkap), durch Halb-Island befördert und in Islands nördlichster Ortschaft Raufarhöfn, fast am Polarkreis übergeben: Der zweitnördlichste, „frei bewegliche“ Stein Europas…
Unvollendet und seit 10 Jahren im Bau: Riesiges „mystisches“ Monument etwas nördlich von Raufarhöfn, nur wenige Kilometer südlich des Polarkreises. Es beherbergt Steine vom Polarkreis Amerikas, Europas, Asiens…
Das Monument ist übrigens auch auf dem Bild darüber am Horizont zu erahnen, direkt rechts meines Kopfes über dem niedrigeren Gebäude (Der von mir mitgebrachte Stein vom Knivskjellodden – eine wirkliche Rarität – war einmal hunderte Kilometer nördlich des Polarkreises sowie tausende Kilometer nordöstlich der neuen Stelle beheimatet und befindet sich (noch) einen Kilometer südlich des Monumentes)…
…Nach 300 km sehen wir uns trotz Drahtesels wieder: Bustouristen aus Süddeutschland in Akureyri. Das erste Mal…
„Morning Has Broken Like The First Morning…“Islands leckerster, vegetarischer Hamburger!
– Ist der Koch Isländer?
-Nein, Spanier…
Alles hat Seine Zeit…„Nun, fotografiere doch endlich…“, aus 30 cm Entfernung in Ruhe am Látrabjarg möglich…
Mehr Island?
BESONDERE RUNDREISE FÜR JEDERMANN zugänglich in diesem Blog unten…
Samstag: 23. Juli: Sandgerði – Keflavik – Düsseldorf/(10 km + ?) Rückkehr
17. Oktober 2016 Marsollek
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Der – nach internationalen Maßstäben – „übersichtlich große“ Flughafen von Keflavik hat den Vorteil, dass man schnell überall hinkommt.
Es herrscht wenig Betrieb, bis kurz vor Mitternacht habe ich alles im Überblick. Der Blick nach draußen: Durch die dicke Wolkendecke ist alles dunkel, meine erste „Nacht“ in Island, gefühlsmäßig. Die vorgepackten Radtaschen und Mitbringsel finden schnell Platz im großen, wasserdichten Seesack, der 20 kg schwer werden darf, das Handgepäck – auch nur ein Teil – darf als große Radtasche 12 kg wiegen. Das Rad erreicht sein zulässiges höchstgewicht von 23 kg bei weitem nicht. Es wird flugfertig gemacht, mit Helm, Thermokanne und Sicherheitsschloss beschwert. Die Pedale werden abgeschraubt, Lenker, Armgriffe gelöst und verdreht. Ich könnte alles abgeben, das schnelle Einchecken ist jetzt aber noch nicht möglich, der WOW-Air-Schalter öffnet erst zwei Stunden vor dem Start. Pech. An dem noch kurz offenen Schalter einer anderen Fluggesellschaft wiegen mir die netten isländischen Bediensteten das Gepäck ab, der Seesack ist 4 kg zu schwer, das Handgepäck hat noch 1kg Reserve. Ich muss umpacken. Zum Glück finde ich noch die bereits entsorgte Packbandrolle im Mülleimer, ziehe Sessel, Pulli und einige Kleidungsstücke heraus, ziehe mich wärmer an – durchaus nötig -, schichte um: Jetzt müsste es hinhauen. Pro kg Zusatzgepäck wären sonst 25 € fällig. Dass ich 5 kg weniger wiege als bei Hinflug, spielt keine Rolle…
Der Sessel ist ein Segen. Es lässt sich darinnen sitzen, lesen, essen, „dösen“.
Eine geeignete Ecke zum „Rasten“ ist schnell gefunden, ich finde ungestört Ruhe. Nicht aber recht zahlreiche Rucksacktouristen beiderlei Geschlechts, die in der Nähe versuchen, in ihren Schlafsäcken zu entspannen: Ist nicht erlaubt, das Sicherheitspersonal vertreibt sie. Regelmäßig.
Es ist soweit, das Einchecken gelingt ab 4 Uhr problemlos, der Sessel wird am Handgepäck verzurrt, ich habe genug Zeit, Kleinigkeiten zu erstehen und anstelle von Islandpullis – Renata hatte Recht, im Flughafen gibt es tatsächlich eine riesige Buchhandlung – für meine Frau nach Wunsch zwei Handarbeitsbücher zu erstehen. Das erste mit ausschließlich traditionellen isländischen Häkel-, das zweite mit ausschließlich traditionellen isländischen Strickarbeiten.
Großartig! Ich erfreue mich daran gleich bei einem leckeren Wrap an einem der Bistros und maile lustige Bilder daraus an meine „bessere Hälfte“…
Der Rückflug verläuft problemlos. Deutschland hat mich wieder.
Ankunft in Düsseldorf: Und wieder ist etwas verquer: Als ich „Stóri Karl“ nach langer Wartezeit wiedersehe, ist sein Hinterrad nahezu blockiert. Was haben DIE nur damit gemacht?… Ich bekomme es etwas freigedrückt, kann Fahrrad mit Gepäck herausrollen (Zuhause wird das Hinterrad dann in kürzester Zeit gerichtet sein).
Moni wartet geduldig, empfängt mich in der Ausgangshalle mit einem Snack. Ich muss ausgehungert aussehen?! Stimmt! Danke ist zuwenig!!!…
„Über den Wolken“: Beim Hinflug vergaß ich Luft aus den vollgepumpten Reifen abzulassen, ohne Reifenschaden als Folge. Während der 28-tägigen Island-Tour musste ich kein einziges Mal Luft hinzupumpen, wie bei der 10.000 km langen „Waldorf on the Road Fahrt 2013“ übrigens (Berichte in diesesm Blog gaaaanz unten), die sogar 67 Tage lang war… Auch wenn ich nun seit über 20.000 km keine Reifenpanne mehr hatte, und die Reifen von 2013 auch nach 12.000 km noch genug Profil aufwiesen: Der Abrieb des gleichen Reifentyps auf Islands „Straßen-Lava-Belag“ war mindestens viermal größer als in Skandinavien. Im nachhinein verstehe ich es viel besser, dass fast alle Island-Langstreckenradler einen Reservereifen im Gepäck mitführen. Danke Balance Bochum für den Service 2016!…, für die nächste Island-Tour (2017???) benötige ich aber ganz sicher wieder frisches Reifenprofil…
Aus 30 Jahren Erfahrung bei meinen Radtouren mit Schülern der Rudolf Steiner Schule Bochum weiß ich, dass dabei – die geradelten Strecken einzelner Kinder aufsummiert – statistisch nur etwa alle 5000 km eine Reifenpanne auftritt (gutes Vorchecking vorausgesetzt).
ALLERDINGS: Bei meinem für die „18 Nächte zur Mitternachtssonne Tour 2006“ gelieferten „Lancelot“-Rad hatte ich gleich bei der ersten Probetour fünfmal(!) keine Luft im Reifen: Die Hinterradfelge war ab Werk nicht entgratet worden. Balance tauschte sie sofort aus. Danach war tatsächlich erst nach gut 5000 km einmal, während der Südskandinavientour 2007 bei der Rückfahrt der Vorderreifen irgendwo bei Vejle platt (ich radelte damals von Bochum aus über Rügen und Bornholm nach Südschweden und besuchte im Skagerrak die Wüsteninsel Anholt).
Ich werde meinen Schwager Robert Ehrhardt – der mir bei PC-Problemen immer treu zur Seite steht (DANKE!!!) – fragen, ob es bei (seit 2013) seinem „Lancelot“ seitdem nochmals geschehen ist…
Danach mit meiner besseren Hälfte am Harkortberg (Wetter/Ruhr), wo mich in der Vergangenheit schon viele meiner Trainingsfahrten- und Reisevorbereitungen per Inlineskates oder Tourenrad hochführten. Danke auch hier!
Freitag, 22. Juli: SANDGERÐI – (Keflavik – Sandgerði)/18 km: Am Ziel!
17. Oktober 2016 Marsollek
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Ruhetag.
Mußetag.
Tag zum sich Sammeln und Resümieren, aber auch zum Ordnen, Packen, Erinnern, Ausruhen.
NOCH ZEIT HABEN! Das war vor Beginn der Tour schon so eingeplant…
Heute ist ein fast „stationärer“ Tag für mich:
Etwas länger geschlafen, geschrieben, gefrühstückt. Bevor die Kronshages ihre Reise fortsetzen, spritzt Lothar den Bus noch sorgfältig mit klarem Wasser ab. Das ist üblich, mitunter sehr nötig und fast auf allen Zeltplätzen möglich, passiert man doch auf seiner Reise des Öfteren aktive, rauchende Lavafelder mit Schwefel-, Schwefelsäure- und anderen ätzenden, aggressiven Dämpfen, die schnell den Autolack angreifen können. Island, das Land der Gletscher, Geysire und Vulkane! (Kein Witz: Ich werde zum Beispiel erst nach meiner Rückkehr in Bochum bemerken, dass sich mein vor der Reise im wesentlichen silberfarbiger Fahrradhelm mit schwefelgelber Patina überzogen hat. Meine teure, drei Jahre alte Gleitsichtbrille wies vor der Tour erste kleine Schäden an der Spezialbeschichtung auf. Nach der Tour war die Beschichtung praktisch aufgelöst, es wurden neue Gläser fällig…)
Den Wagen „gewässert“, startklar: Auf Wiedersehen in Bochum… Die aus einem finnischen Schulatlas stammende Karte ist übersichtlich: Ich landete nach über dreistündigem Flug vor vier Wochen in Keflavik, umrundete Island von Sandgerði aus entgegen dem Uhrzeigersinn in zweifach größerem Maße als es die rotangedeutete Ringstraße aufzeigt und kam gestern – nach fast 2600 km ausschließlich per Rad – wieder in Sandgerði an. Die Kronshages kamen nach zweitägiger Seefahrt von Hirtshals/DK kommend vor acht Tagen in Seyðisfjörður ganz im Osten an, etwa als ich ungefähr 100 km vor Borgarnes mein allererstes Mal im Leben im Pferdesattel auf Prinz meinem echten isländer Wikingerpferd saß und fuhren im Uhrzeigersinn nach Süden. Längst noch nicht ganz fließend, durchaus aber „sprudelnd“: Já, jech talar núna svo litla íslensku! Die Frage und das Reiselogo entwickelt als Vorhaben. „Kurbeln“ musste ich selbst. Mit Unterstützung bewährter und neuer Partner fiel mir die Optimierung der Ausrüstung aber leicht, sodass „Islandpferd und Papageitaucher“ stellvertretend für alle Vorhaben von „Waldorf on the Road II“ Realität wurden.
Das inzwischen 10 Jahre alte AKTO, (auf beiden Bildern oben, während der Tour 2013), wie unser immer noch voll funktionsfähiges, 29 Jahre altes STALON – und in Weiterentwicklung das neue, diesmal rote ENAN (unten) – haben fertig eingehängte, schnell ausknüpfbare Innenzelte für den „trockenen“ Schlaf bei richtigem Handling; das u.U. außen nasse Reisegepäck hat immer genug Raum unter dem Außenzelt. Das Rad ist Fahrzeug und Träger, es verfügt sogar über Fernlicht und versorgt per USB-Anschluss alle mitgeführte „Reiseelektronik“… Arktischer Bärenklau „leuchtet“ mitunter im Blassorangefarbton, im Küstenbereich islandweit. In Nordnorwegen heißt er „Tromsöpalme“…Tunnelpassagen über kaum 500 m hohe Bergformationen (hier in der Nähe von Höfn) können innerhalb von 1-2 Kilometern und wenigen Minuten Reisezeit vom beständigen Regenwetter in strahlend blaues Himmelspanorama überführen…Das „Schaf im Schafspelz“(bitte nur oben…): Es gibt auf Island mehr Schafe als Isländer. Die meiste Island-Wolle wird jedoch nicht geschoren, sondern geht im Laufe des Sommers verloren: am Strauchwerk, an Moosen, an Steinen…, zum Teil in meterlangen „Strähnen“.Ein Harry Potter Band in der etwa 30. Sprache fürs „Hausarchiv“ und ein erstes Isländischwörterbuch dazu, erstanden in Akureyri. Zwar 1kg Zusatzgepäck, zugleich aber auch Riesenfreude über den Kauf: Ich brauche danach nicht mehr in Reykjavik zu suchen. Das Foto schoss übrigens ein Amerikaner. Es fiel ihm das Waldorflogo meiner Jacke auf: Sein Freund ist in Amerika Waldorflehrer und Extremradler. Die Welt ist klein… OBEN/UNTEN: Absolute Stille in motorfreier Abgeschiedenheit am sehr frühen Morgen oder Touristenhype mit Amphibienfahrzeug, Neoprenanzug und Schwimmweste nur etwa 10 -15 km entfernt und 5 Stunden später am gleichen „Gewässer“? Beides ist möglich…OhneWorte,sprachlos…,
…überall aber auch, hängt in dieser Umgebung, wo es brodelt, „pafft“, plätschert, aus kochend heißen Quellen blau leuchtet und alle paar Minuten zischt, wo Singvögel im Sommer aber dennoch – bis auf die hellen Nachtstunden – ununterbrochen „zwischentirillieren“, beständiger Schwefelgeruch in der Luft…Nachts und am sehr frühen Morgen ist es hier menschenleer (der kleine Zeltplatz ist nur wenige hundert Meter entfernt), zur Tageszeit teilt man die Erlebensfreude gern, wenn es nicht zu eng wird…
ABER: In der Hochsaison verbrühen sich in Geyzir im Schnitt wöchentlich 3 Touristen an der 100°C heißen, etwa 35 m hohen Wasserfontäne durch Missachtung der Beschilderungen und Absperrungen während der Jagd nach sensationellen Selfies…
Ruhetag. Mußetag. Tag zum sich Sammeln und Resümieren, Ordnen, Packen, Erinnern, Ausruhen.
NOCH ZEIT HABEN! Das war vor Beginn der Tour schon so eingeplant…
Michaela und Lothar sind abgereist, neue Gäste bevölkern den Campingplatz. Ich lade das IPhone an einer Steckdose im Duschraum, genieße die heiße Dusche, deponiere – wie andere vor mir – überschüssiges Proviant für die Nachfolgenden in der kleinen geschützten Freiluftnische unter dem Dach des Sanitärgebäudes bei den Geschirrspülbecken: Spaghetti, Olivenöl, Tütensuppen, Butter, Brot, Teebeutel, Trinkflaschen, Dosen, Besteck, Küchenrolle: Alles hier „an dieser reichgedeckten Tafel“ zum Gratisangebot. Am Boden fand ich hier zum Start vor vier Wochen unter den vielen Gasflaschen die passenden halbvollen Dosen für meinen Primus-Multifuel-Kocher. Jetzt landet hier eine volle, kleine Dose, die ich vor über 2000 km als eiserne Reserve im letzten Winkel der Provianttasche verstaut hatte. Die halbvolle, „große“ Flasche mit passendem Gewindeanschluss, die am frühen Abend das „Angebot“ noch vergrößern wird, findet ganz schnell einen glücklichen Weiternutzer.
Renata, die inzwischen eingebürgerte Polin, die hier in Sandgerði ganz in der Nähe wohnen soll, jetzt aber im Netto-Suppermarkt in Keflavik Dienst hat informierte mich damals, dass passende Campinggasflaschen wegen der Explosionsgefahr nicht in Supermärkten, aber an Tankstellen erhältlich ist. Stimmt. Auch am Wochenende.
„Entschuldigung, sprechen Sie Deutsch? Mein Mann ist mit dem Auto zum Einkaufen gefahren und ich sollte kochen. Haben sie einen Dosenöffner? Unser Öffner ist jetzt im Mietauto unterwegs“, spricht mich etwas ratlos eine junge Camperin mit zwei Dosen roter Bohnen in den Händen an, als ich gerade mein Equipment sortiere. Ich habe keinen Dosenöffner, gewinne den „technischen Wettstreit“ aber spielend gegen einen nicht deutsch sprechenden älteren Isländer mit Frau im Campingwagen nebenan, deren Dosenöffner Startschwierigkeiten hat, das 1980 in Tampere erstandene Finnmesser und meine Erfahrung damit aber in weniger als 10 Sekunden das kulinarische Problem lösen.
Kurze Zeit später wird mein Öffnergeschick nochmals von einem anderen jungen Zeltlerpärchen in Anspruch genommen. Als Dank – diesmal kocht der Mann – bekomme ich eine stattliche Portion köstlichen vegetarischen „Curry-Risottos mit Bambussprossen“ serviert – eine willkommene Stärkung vor meinem Ausflug nach Keflavik auf der Suche nach Renata, der Neu-Isländerin.
Auch der Lavaboden der 10 km Trasse von Sandgerði nach Keflavik ist bewachsen mit arktischen Lupinen, „deren Samen bei uns in Deutschland aber nicht keimen wollen“, sagte mir Angelika Jaschke, als ich sie im Tobiashus, bei der Waldorfschule außerhalb Reykjaviks besuchte. Ich finde bei meiner Rad-Spritztour ohne Gepäck „wie im Fluge“ genügend reife Schoten und will nächstes Jahr im Garten einen „Anbauversuch“ wagen.Wilder Thymian wächst islandweit auch an kargsten Stellen und besiedelt als Pionierpflanze Lavaschutt. Auf der Rückfahrt von Keflavik nehme ich zwei kleine Pflänzchen mit etwas Mutterboden mit und verstaue sie am Campingplatz in einer leeren Butterdose (sie werden angehen…). Skyr und einige andere kulinarische Mitbringsel, inzwischen auch in Deutschland eigeführt, bereichern mein Gepäck…
Ach wie schön, Renata ist um 15 Uhr noch im Dienst. Wir erkennen uns gleich wieder und unterhalten uns bestimmt die ersten 10 Minuten lang auf Isländisch, bevor wir – entgültig – in Polnische wechseln. Sie freut sich sehr über die Wiederbegegnung und wurde von ihren Mitarbeitern informiert, dass ich gestern dagewesen bin.
„Wann geht Dein Flug?“, fragt sie. „Morgen um sechs?, da könntest du doch heute um sieben noch auf einen Kaffee vorbeikommen, meinen Mann und den zweijährigen Sohn kennenlernen und wir könnten Quatschen. Ich wohne ganz in der Nähe des Campingplatzes, da werde ich dich abholen. Hoffentlich finde ich dich…“
Welch ein Angebot! Ich nehme es an, auch wenn ich nur Teetrinker bin…
Zurück in Sandgerði koche ich mir eine Riesenportion „öl-butter-kräutergetunte“ Chillibohnen, fertige Reisebrote, motte die Campingküche ein, entsorge an der „Tafel“ Restproviant und Gas, packe das staubtrockene Zelt ein, bepacke Stóri-karl reisefertig und helfe zwischendurch im bequemen Campingsessel lehnend, lesend und ruhend, frisch angekommenen „Dänen aus Amerika“, den Schlüssel für ihre Ferienhütte zu bekommen. Fertig!
Den Beschluss, schon vor dem Besuch bei Renata reisefertig zu sein fasse ich, nachdem ich für die kommende Nacht eine recht hohe Regenwahrscheinlichkeit ausmache. Die isländische Wettervorhersage ist meistens sehr zuverlässig! Auch diesmal.
Kurz nach 19 Uhr kommt Renata mit ihrem zweieinhalbjährigen Söhnchen vorbei – ich kann es trotz Vorwarnung nicht fassen, er ist so groß wie ein Vierjähriger – und holt mich ab.
Ihr Eigenheim, in das sie vor 4 Monaten eingezogen sind, liegt ganz in der Nähe, ist riesig und luxuriös ausgestattet und neben dem Söhnchen, der dem hühnenhaften Papa in die Arme fält, der ganze Stolz der Familie. Auch die von innen erreichbare Doppelgarage hat Fußbodenheizung, die Terrasse vor der Garage auch, damit man im Winter nicht ausrutscht. Standard bei Neubauten. Energiepreise sind niedrig auf der Vulkaninsel.
Sie haben noch viele Anbaupläne mit Wintergarten und Heißwasseraußenpool und, und…
Das Söhnchen braucht dringend ein Schwesterchen (Mamawunsch) oder ein Brüderchen (Papawunsch). Oder beides.
Schwierig.
Papas Schicht beginnt, er verlässt kaum, dass wir uns miteinander bekannt gemacht haben das Haus und räumt nachts mit einer polnischen Putzkolonne alle Supermärkte Keflaviks auf.
Mamas Schicht als Vizechefin bei Netto beginnt kaum eine Stunde nachdem der Papa von der Arbeit zurückgekehrt ist. Ein Kindermädchen hilft als Überbrückung zwischendurch.
Schwierig…
Renatas Mann, versteht nach einem Dutzend Jahren im Lande zwar gut Isländisch, er spricht es aber der Umstände wegen kaum. „Das wird im Februar besser, wenn er in einer kleinen Tischlerei anfängt“, hofft Renata – dort wird nur Isländisch gesprochen…
Beide sind aber über die Auswanderung sehr glücklich. Und froh, etwas sicherer, etwas weiter weg von den Problemen Europas entfernt zu sein. Gerade läuft und schockiert uns im Fernsehen ein Bericht über einen Terroranschlag in München mit vielen Toten, Nizza ist erst ein paar Tage her, die Anschläge von Brüssel und Paris liegen nicht weit zurück…
Kontakt zur ihrer alten Heimat haben sie noch und fliegen auch gelegentlich hin. Im Sommer ist es ihnen dort aber viel zu heiß.
Renata hat als einzige von 6 Geschwistern studieren können. Es war in Polen für die anderen zu teuer. Sie ist dankbar. Ihre Mutter lebt noch. Sie ist viel gereist, hat in vielen Ländern Europas gejobbt, einmal ein halbes Jahr in Norwegen, ohne dafür Lohn erhalten zu haben. Bitter. Deutschland bereiste sie nie: Ihr Großvater starb dort als Zwangsarbeiter. Mich hielt sie bis heute „für einen halben Polen“.
Renata liebt Island, die Menschen, die Offenheit, das Entgegenkommen Fremden gegenüber, den Vertrauensvorschuss den man gewährt, wenn man ihnen Arbeit hierzulande anbietet.
ABER: „Nur, ein Vergehen, ein Strafzettel und du kannst deinen Einbürgerungsantrag für 10 Jahre oder für immer vergessen, so sind die klaren Regeln“, meint sie.
Renata ist sehr stolz darauf, seit 2016 eine frisch eingebürgerte Isländerin zu sein. Die Prüfung – die Sprachkenntnisse betreffend – dem Abitur vergleichbar hat sie noch in guter Erinnerung. Ihr Sohn ist hier geboren, er spricht zwar kaum, ist aber auch Isländer.
Sein Papa ist es noch nicht.
Ich werde von meiner Gastgeberin mit Tee und leckerem Kuchen bis zum Abwinken verwöhnt und bleibe bis 22.30 Uhr zu Gast. Dann verabschieden wir uns ganz herzlich und ich starte erfrischt von Sandgerði aus zum Flughafen Keflavik, der etwa 4 km vom Ort gleichen Namens entfernt ist. Der Regen beginnt, kaum dass ich den Flughafenkomplex erreicht habe.
Ganz lieben Dank für alles und auf Wiedersehen, liebe Renata…
Der isländische Pass das Söhnchen, do zobaczenia, Renato!
Donnerstag, 21. Juli: Mosfellsbær – Sangerði/ 75 km
4. Oktober 2016 Marsollek
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Da ist er ja, mein Alpakapulli…
Es regnet die ganze Nachtzeit hindurch bis in den späten Morgen hinein. Ich wache früh auf, packe, frühstücke, knöpfe das trockene Innenzelt aus, verstaue alles Gepäck in der einen Zelthälfte und habe in der anderen, auf der Isomatte sitzend reichlich viel Platz, um Tagebuch zu schreiben und das Wetter zu studieren.
Im Internet erfahre ich, dass es für Reykjavik die nächsten Tage über keine guten Wetteraussichten gibt, dass der Regen dort aber vormittags aufhört und sich in Sangerði, meinem Zielort, sogar die Sonne nachmittags blicken lassen wird.
Ich tröste zwischendurch Tramper Jan, das Wetter betreffend und fahre gegen 11 Uhr los. Da ist er schon längst unterwegs.
Die Ringstraße ist wieder geöffnet. Nach wenigen Kilometern versorge ich mich im Nettomarkt von Mosfellsbær mit Lebensmitteln und fahre Richtung Hauptstadt. Der Verkehr auf der autobahnmäßig ausgebauten Ringstraße ist grässlich und mindestens zehnmal dichter, als am Sonntag vor fast vier Wochen. Zwischendurch regnet es Bindfäden, die Fahrzeuge scheinen sich um die Fahrstreifen und Abfahrten zu zanken. Der Radler kurbelt dazwischen. Der Seitenstreifen ist selten befahrbar und auf meiner Route am Fahrbahnrand tauchen weiterhin scharfe Gegenstände, Schrauben, Blech-, Holz- und Reifenteile auf. Und zunehmend mehr wassergefüllte Schlaglöcher.
Sehr konzentriert und angestrengt umfahre ich schließlich ewig lange den Moloch Reykjavik in einem Modus, als ob ich morgens auf dem Ruhrschnellweg in Richtung Essen unterwegs wäre.
Wirklich!!!, denn die Ringstraße 1 ist inzwischen eine richtige Stadtautobahn geworden mit zwei Spuren in jede Richtung und häufigen Ein- und Ausfahrten auf denen ich mich fast immer „vogelfrei“ fühle. Mal sehen, wie lange noch Radler hier per Gesetz geduldet werden…
Schilder weisen mir schließlich die Trasse nach Keflavik.
Ich finde den einzigen Parkplatz mit Tisch und Bänkchen zwischen Reykjavik und Keflavik wieder, den ich schon auf der Hinfahrt ansteuerte, raste und esse ausgiebig.
Landende und startende Flugzeuge kreuzen über mir die Autobahn, plötzlich aus den Wolken fallend oder rasch in ihnen verschwindend. Bald ist ein Außenbezirk von Keflavik erreicht. Und ich finde hier das Nettogeschäft wieder, in dem ich an meinem ersten Islandtag Renata, eine seit 13 Jahren in Island lebende, inzwischen eingebürgerte Polin kennengelernt habe.
Ich frage das Personal nach ihr. Renata hat schon seit 16 Uhr Dienstschluss. Vielleicht besuche ich sie morgen, sind ja nur 10 km zu radeln…
Kaum auf dem Zeltplatz angekommen – ich bin gerade im Gespräch mit zwei Studenten aus Österreich, die innerhalb von 2 Wochen per Rad die Insel 800 km weit erkundeten – die Große Überraschung: Die Kronshages aus Bochum, seit dem 14. Juli mit ihrem Reisebus durch Island unterwegs, stehen lachend vor mir! Gerade einmal eine Viertelstunde vor mir kamen sie hier an, machen mich an Rad, Statur und grüner Jacke aus und kommen zur Begrüßung. Welch ein Zufall!… Ich habe während meiner Radtour einige Male erfolglos versucht, bei ihnen anzurufen und auch sie haben an mich gedacht, da wir von unseren Reisevorhaben wussten. Jetzt, da wir in entgegengesetzten Richtungen Island umrundeten, treffen wir uns hier tatsächlich doch noch zum Abschluss meiner Reise.
Da ihre Tochter Linda mich acht Jahre als Klassenlehrer ertragen hatte, ich seit 30 Jahren Lehrer an der Bochumer Schule bin und Michaela bereits seit 1974(!) Waldorferzieherin am Kindergarten, haben wir viel zu erinnern und zu erzählen.
Und natürlich kommen dabei auch unsere in Island gemachten Reiseerfahrungen nicht zu kurz.
Wir haben hier so viel gesehen und dennoch nur ein kleines Bruchstückchen Islands kennengelernt… Ein schöner Nachmittag und Abend, an denen wir genug Zeit finden und an denen sich auch die Sonne tatsächlich immer wieder hat blicken lassen…
…Die österreichischen Radler brechen bald nachdem alles sortiert und gepackt ist, spätnachmittags zum Flughafen auf. Obwohl ihr Flug erst in der Nacht zu morgen startet, so wollen sie doch schon heute einchecken und die Nachtstunden im Flughafengebäude auf irgendwelchen Bänken „verdösen“. Sie schenken mir zum Abschied noch die angebrauchte Rolle Packbandes, mit der ich morgen mein Rad flugtauglich präparieren kann. In vier Supermärkten, zuletzt heute in Keflavik, suchte ich danach vergeblich. Die Rolle Tesaband, 1,5 cm breit, lasse ich hier zurück. Sicher findet sie der Richtige. Danke!
Wie es wohl Jan heute ergangen ist, dem Tramper aus Süddeutschland? Heute? Tatsächlich, er verließ heute etwa eine Stunde vor mir, also vor gerade mal einem halben Tag zu Fuß den Zeltplatz in Mosfellsbær. Die Zeit scheint stillzustehen…
Mittwoch, 20. Juli: Borgarnes – Mosfellsbær, über die „Walfischbucht…“/106 km
4. Oktober 2016 Marsollek
islandkarte-25-26
Blick über die „Camping-Bucht“ bei Ebbe am frühen Morgen Kurz vor dem Aufbruch, nur das Zelt trocknet nach dem Regen noch in der Sonne.
Der leichte Regen am frühen Morgen hört auf, das Zelt ist schnell trocken.
Ich starte gegen 9 Uhr, noch vor den deutschen Motorradfahrern.
Kaum aus Borgarnes herausgefahren, muss ich über den überbrückten Sund. Der stürmische Seitenwind scheint mich ins Meer drücken zu wollen.
Letzter Zoom-Blick auf das schon ferne Borgarnes (s. Bild darüber)…
Am anderen Ufer wird er aber zum hilfreichen Rückenwind, der mich die Hügel nicht spüren lässt und in ebenen Abschnitten ohne besondere Kraftanforderung eine Dauergeschwindigkeit zwischen 35 und 45 kmh zulässt.
Nach 20 km ist der Spaß vorbei, der Wind kommt von der Seite und ich muss bald in die Richtung aus der er kommt einbiegen.
Per Rad darf ich nicht durch den etwa 6 km langen Tunnel unter dem Hvalfjörður/Wal(fisch)fjord hindurchradeln, der die Strecke nach Reykjavik um 41 km abkürzt, sondern muss die 70 km lange Straße am Fjordufer entlang benutzen.
Sigurjón Ólafsson hat mich gestern schon darauf vorbereitet, mir aber versprochen, dass es eine wunderschöne Strecke ist, fast ohne Verkehr, weil ja beinahe alle via Tunnel in die Hauptstadt brettern.
Der Wind aber ist, trotz aller Streckenreize dennoch heftig und verlangt besondere Anstrengungen.
Ich bleibe unweit der Abzweigung stehen, koche mir ein Süppchen, esse meine Brote. Ein isländischer Wagen hält, tschechische Touristen aus Usti nad Labem (Aussig an der Elbe) steigen aus. Für mich die Gelegenheit, sich nach langen Jahren wieder auf Tschechisch zu unterhalten. Und für sie die Gelegenheit, Deutsch zu sprechen, weil sie der Sprache mächtig sind. Wir teilen uns die Sprachenanteile…
Bald sind die Tschechen weg. Durch den Tunnel. Ich nehme die andere Strecke…
Hier in der Nähe befindet sich ein nirgendwo eingezeichneter aber bewirtschafteter kleiner Campingplatz. Vielleicht nutze ich ihn einmal, wenn ich von Keflavik kommend, nachts die „schlafende“ Hauptstadt passiere, um – ohne Tunnel – in den Nordwesten Islands zu gelangen.
Die Strecke am Fjord entlang ist wirklich wunderschön. Wäre nicht der Wind, so könnte ich die Fahrt noch mehr genießen.
Nach gut einer Stunde nähere ich mich einer Tankstelle mit leckerem Kuchen.
Benzin brauche ich nicht.
Aber zwei pensionierte Lehrer aus Bonn. Dringend!
Deren Kreditkarten akzeptiert der Automat aber nicht.
Ein freundlicher Isländer hilft ihnen aus der Not heraus, indem er auf seine Kreditkarte ihren Leihwagen volltankt und sie ihn danach mit passend vielen Geldscheinen versorgen.
Eine sehr nette Geste. Die Bonner genießen diese Art Hilfe schon das zweite Mal in Island…
Zeit zur Unterhaltung über Pädagogik, Russisch und über Schüleraustausch mit Russland…
…Auf dem weiteren Weg komme ich an einem eingemotteten „Geister-Städtchen“ vorbei, das wie eine Militärbasis anmutet.
Kameraüberwacht, betreten verboten!, warnt ein Schild.
Ein zwischen Europaletten aussortierter Schädel eines Bartenwales – zweimal so lang wie mein Rad – erweckt mein Interesse. Ich fahre hinein, knipse das Riesenteil und verschwinde schnell wieder. Niemand verfolgt mich…
Von hier aus, am Ende des Fjordes, ist es nicht weit zu Islands höchstem Wasserfall…
30 km später, auf der anderen Fjordseite erfahre ich an einer Informationstafel, dass sich hier – in der „Walfischbucht“ im 2. Weltkrieg eine britische Militärbasis befand mit Wohnhäusern Krankenhaus, Supermarkt, Kino, Fitnesräumen usw..
Ein altes Foto zeigt eindrücklich den mit britischen Kriegsschiffen „vollgepfropften“ Fjord, welche vor der Küste Nordnorwegens zum Beschützen von Konvois und im Kampf gegen die deutsche Kriegsflotte eingesetzt wurden…
Ich komme auf dem Parkplatz ins Gespräch mit einer vierköpfigen schwedischen Familie, die zum ersten Mal hier ist, sich mit isländischen Leihwagen gerade eine Inselrundfahrt gönnt und von der Fjordstrecke, die noch vor mir liegt, begeistert ist.
Irgendwann, nach endlos ruhiger Zeit, erreiche ich die Ringstraße am Tunnelausgang und der Reykjavikverkehr hat mich wieder. Schrauben, Lava-Rollsplitt, Plastikteile, Glasscherben, Blechteile, Nägel, Holzteile, Schlaglöcher in der Asphaltdecke, Gummiteile: All das und mehr, von den Fahrzeugen an den Seitenstreifen geweht, beansprucht meine Aufmerksamkeit viel stärker, als die in den Süden rollende Blechlawine…Mitunter muss ich die Fahrzeugspur benutzen. Niemand hupt: Dennoch grässlich!
Mit Rückenwind rollt sich´s aber gut .Der auf meiner Karte 20 km vor Reykjavik bei Mosfellsbær eingezeichnete und von mir anvisierte Campingplatz existiert nicht, die autobahnähnliiche Straße ist zudem dort, wo ich ihn zu finden hoffte, wegen dringender Bauarbeiten frisch gesperrt und durch blinkende Baufahrzeuge gesichert.
Abfahren!
Ich folge einer Umleitung in der ganz festen Gewissheit, noch 20-30 km weiterradeln zu müssen.
Wenn´s sein muss, besuche ich die Waldorfschule in Lækjarbotnum zum zweiten Mal. Da weiß ich dann wenigstens, wo ich das Zelt aufschlagen kann…
Der passierte Flugplatz vor mir macht durch den Krach eines startenden Kleinflugzeuges auf sich aufmerksam. Auf dem Fußballplatz unweit davon herrscht reger Trainingsbetrieb, da ist kein Platz für ein Zelt (Vor Jahrzehnten zelteten wir auch schon mal auf einem Fußballplatz).
Plötzlich aber, oben an einem Hügel und wie herbeigezaubert, der Hinweis auf einen noch nirgendwo verzeichneten Campingplatz mit wunderbarem Ausblick aufs Meer und auf die schon niedrig stehende Sonne. Duschen sind nicht vorhanden, aber saubere Toiletten mit spartanischen Waschmöglichkeiten.
Ich bin nicht allein, Jan ist gestern per Flieger in Keflavik angekommen: Ein Lagerarbeiter aus Süddeutschland, hier aber ein Tramper mit 15 kg Gepäck und einem 2-Sekunden-Quetschuazelt. Er will in 5 Tagen Island kennenlernen, um später einmal für länger wiederzukommen. Bald höre ich ihn in seinem Zelt schnarchen. Dänen aus Odense kommen im Wohnwagen angefahren. Unsere Unterhaltung stört Jans Schnarchen nicht…
Richard, ein in Hongkong lebender britischer Englischlehrer und seine asiatische Lebensgefährtin, deren kleines Zelt schon steht und die mit ihrem Leihwagen anrollen sprechen mich bald an, bewundern mein Rad und die Ausrüstung. Richard freut sich sehr, als er mein Rad gar ausprobieren darf. Begeisterung pur! Als sie dann auch noch meine Papageitaucherfotos vom Látrabjarg sehen, ärgern sie sich sehr, dass sie viele Tausend Kronen für eine Bootsfahrt bei Húsavik ausgegeben haben, nur um bei schlechter Witterung, aus weiter Entfernung ein paar dieser witzigen Vögel schemenhaft wahrnehmen zu können…
„Der Látrabjarg ist gerade mal eine Tagestour mit dem PKW von hier entfernt!?!“ – versuche ich sie auf den Geschmack zu bringen.
Geht nicht, ihr Rückflug startet schon morgen…
…Der Sonnenuntergang auf den wir spätabends noch lange blicken, entschädigt sie etwas. In etwa gleicher Richtung hinter´m Horizont fliegen die Papageitaucher am Látrabjarg – ganz klein natürlich und sind kaum zu zählen… …Im Norden, also etwas rechts der Sonne, leuchtet die gesperrte Autobahn in ihrem Widerschein und blinkt zusätzlich „aus den Baufahrzeugen heraus“. Trotz später Stunde ist es jetzt noch recht hell…
Gute Nacht!
Dienstag, 19. Juli: Stykkisólmur – Borgarnes/103 km
4. Oktober 2016 Marsollek
…islandkarte-24-25
Aus dem Reisetagebuch:
Früh am Morgen Tagebuch geschrieben, um 8.30 Uhr geht es los. Es ist kalt.
Der Campingplatz „schläft“ noch.
Der örtliche Bäcker hat aber schon geöffnet. Aufwärmen. Tee trinken.
Süßgebäck, vor allem Snuðer (Schnecken) in allen Variationen. Pizzaschnecken gibt es hier aber auch!
Ich nehme die größte je von mir gegessene zuckergussüberfrachtete, zimtüberwürzte, klebrigste Schnecke und ein Riesenpuddingteilchen zu mir.
Der Darjeelingtee und ein Löffel helfen, alles einigermaßen gesittet „einzunehmen“…
Um 9 Uhr geht’s weiter.
Nach 10 km bin ich warm.
Nach 20 km beginnt in Richtung Borgarnes der sanfte Anstieg über den gut 16 km langen Vatnaleið („Wasserweg“) mit Querung der Halbinsel Snæfellsnesi über Lavafelder der zuletzt vor etwa 4000 Jahren aktiv gewesenen Vulkansysteme auf etwa 300 Höhenmeter.
Karte aus Wikipedia
Es ist eine SAGAUMWOBENE, geschichts- und geschichtenträchtige Landschaft (Saga-Geschichte/Sagnfræði-Geschichtswissenschaft) mit dem 1448 m hohen „magische Kräfte innehabenden“ Gletschervulkan Snæfellsjökull am Ende der Halbinsel, der ich beim nächsten Islandbesuch einmal sicher noch einen genaueren Besuch abstatten werde.
Zunächst – und für heute – freue mich aber schon jetzt auf meinen vegetarischen Burger am Hotel an der Tankstelle „hinterm Berg“…
Vor Passstraßen weisen des Öfteren Tafeln auf die an höchster Stelle herrschende Temperatur und auf dortige Windverhältnisse hin. Per Telefon kann man sich islandweit über die Strecken- und die Wetterverhältnisse informieren – vor allem in der dunklen Jahreszeit wichtig. Mit „bloßem Auge“ sind die flimmernden Digitalanzeigen immer leicht zu lesen, für die Kamera mit Standardeinstellung nicht, wie man „(nicht)“sieht…
Die Gedenktafel vom 2. November 2001 erinnert an die Eröffnung der Passstrecke (fett gravierte Querverbindung rechts), welche dem Reisenden (mir) den Weg von Stykkishólmur nach Borgarnes trotz der etwa 100 km auf einen Bruchteil verkürzt. Und sie erinnert an den damaligen isländischen Verkehrsminister (letztes Wort der Tafel) Sturla Böðvarsson…
Der „Berg“ ist für mich tatsächlich leicht zu bewältigen, am Aussichtspunkt oben kurze Gespräche mit den Insassen zweier isländischer Leihautos, mit deutschen Touristen. Die einen waren eine Woche auf Island und fliegen morgen zurück. Die anderen haben noch eine der zwei Wochen vor sich.
Mit bis zu 55 kmh geht es die 7 km lange Abfahrt hinunter.
Seit meinem ersten Ausritt – und auch diesmal – sehe ich in den tieferen Lagen immer wieder, oder noch öfter als sonst, Pferde in sehr fotogenen Positionen weiden. Komme ich aber kaum auf etwa 300-400 m herangefahren, wie auch dieses Mal, so heben sie die Köpfe, drehen sich in Front zu mir und glotzen. Ein Pferd auf einem Hügel stehend im Profil aus näherer Distanz zu fotografieren: für mich fast unmöglich.
Sind die fasziniert von dem grünschwarzen Drahteselfahrer!!!…
Aber auch Vögel (meistens aus der Familie der Brachvögel) umfliegen mich, in der Regel laut protestierend, landen auf der Straße, laufen ein Stück voran, fliegen zur Seite, fliegen zurück und der Nachbarvogel 100 m weiter übernimmt den „Geleitschutz“. Manchmal sind es noch nicht flügge Jungvögel, die sich sogar mit Eltern auf die Straße verlaufen und erst im letzten Augenblick zur Seite huschen.
So gibt es auch auf allen Straßen Islands Unmengen toter Vögel, die den Touristenfahrzeugen zum Opfer fallen, welche mit ihren motorisierten Pferdestärken durch die Gegend brettern.
Auf den ersten 500 km meiner Insel-Tour räume ich, wie auf tausenden Kilometern skandinavischer Straßen in Jahren zuvor praktiziert, die noch nicht ganz zerquetschen Kadaver von der Straße. In Island gebe ich dieses Procedere aber bereits im Südosten der Insel auf. Denn ich bekomme – selbstauferlegt – einfach zu viel zu tun, muss aber auch noch vorankommen. „Egoistische Notbremse!…“
An manchen Stellen liegen am Straßenrand oder auf dem Asphalt vier Großmöwen innerhalb von vielleicht nur 150 m. Kleine Vögel sowieso…
Küstenseeschwalben scheinen da geschickter zu sein – dachte ich -, auch wenn sie dem an sie gewöhnten Radler gelegentlich aggressiv begegnen. Dann gibt es mitunter sehr schöne Fotos/Kurzvideos im Gegenlicht, wie auf der Fahrt zum Stóri-karl zum Beispiel…
Die Vorfreude auf den vegetarischen Bürger wird nicht enttäuscht.
Mauro an der Bar erkennt mich sofort wieder, Magndis, an der Kasse, beim letzten Mal auch englischsprachige „Allgemeinauskunftei“ für die vielen Touristen, ist heute nicht im Dienst.
Ihren Platz besetzt Ólöf (die weibliche Namensvariante von Ólaf (gespr. Oulaf)), die begeistert ist von meinen von mir selbst doch noch als sehr spärlich empfundenen Ausdrucksmöglichkeiten auf Isländisch.
Der Koch Jorge wächst über sich hinaus und Kellner Jessua, auch Spanier, serviert mir den couscousgrundierten Gemüseburger mit einer ganz anderen, fantastischen Salatzubereitung mit Eissalat, Gurken- und Eierwürfeln, Orangen- und Kiwistückchen und herrlichem Dressing.
Ich bin einfach begeistert. Bravo!
Zwei Stunden verbringe ich im Hotel RJUKANDI, einem kleinen Familienbetrieb (Die Tankstellenzapfsäule wird automatisch und getrennt betrieben) und schreibe meine Erinnerungen nieder (leider gibt es an den Tischen noch keine Steckdosen, um Mobiltelefone (wir Deutschen sagen Handys) zu laden, dafür aber gratis WLAN).
Links Ólöf, rechts Borghilður; links Mauro, rechts Jessua
Natürlich kommt es zum stressigen, feierlichen Gruppenabschiedsfoto mit der fast gesamten Belegschaft, nur der Koch selber, der mir aus der Küche zuzwinkert, kann nicht von der Kochstelle weg. Dafür kommt aber Borghilður herbei, die bei meinem letzten Besuch amerikanischen Touristen – trotz Servierstresses – die Vorzüge und die besonderen Gangarten der isländischen Pferde sowie deren unverändert reine Abstammung von den Pferden der Wikinger von vor etwa 900 Jahren nebenbei zu erklären vermochte.
Die Köche können Isländisch nur bruchstückhaft verstehen, ich wiederum bitte um Entschuldigung für die paar spanischen Brocken, die ich unbeholfen von mir gebe und bedanke mich ganz herzlich bei Ólöf für die besondere Gelegenheit der Isländischnachhilfe…
…Draußen komme ich noch lange nicht weg. Eine Gruppe älterer israelischer Bustouristen umringt mein Rad, erkundigt sich nach den technischen Finessen, fachsimpelt mit mir (einer von ihnen fährt täglich 19 km Rad). Heute wollen sie noch zu den Vögeln am Látrabjarg und sind ganz erschlagen von meinen Fotos. Der Busfahrer ruft sie zum Essen, „mein“ Koch hat offenbar bestes geleistet, und die Nachmittagsfähre wartet nicht. Eile, Eile!!!
Dennoch schießen die Israelis noch ein paar Erinnerungsgruppenfotos mit dem Radler…
Kaum sind sie drinnen spricht mich ein älterer Isländer an, er ist mit dem Auto unterwegs und erkundigt sich nach der Waldorfschule. Sein Sohn (Enkel?) war im Kindergarten der von mir zu Anfang der Reise besuchten Waldorfschule und später in der Waldorfschule im Zentrum Reykjaviks. Er selbst ist anthroposophisch interessiert und kennt einige Werke von Rudolf Steiner. Kurzes herzliches Gespräch mit dem vielsprachigen Sigurd Sigurdsson(?), der auch tatsächlich noch etwas Russisch spricht. Schön!
Auf Wiedersehen! Die Frau winkt mir aus dem Auto zu…
Gegenwind fast auf der gesamten Reststrecke, trotz wechselnder Fahrtrichtungen. Die Vorfreude auf den bei Ankunft am Hotel Rjukandi in Richtung Borgarnes wehenden Starkwind war unberechtigt. Die wechselnden Hügelketten und das nicht ferne Meer scheinen ins Windwechselspiel verliebt zu sein auf dem riesigen „Tennisrasen“. Der Radler ist ihnen gleichgültig. Gräser am Straßenrand bilden phantastische Windmuster. Bäume, Sträucher gibt es nicht.
Nach einer etwa 10 km langen Rückenwindstrecke – erste Sträuchervegetation taucht gerade auf – kommt mir Helmut (55), ein Radler aus Heidelberg entgegen. Er ist vorgestern in Island angekommen, will innerhalb von zwei Wochen nur die Nordwestfjorde befahren und den Nationalpark um den Gletschervulkan Snæfellsjökull erkunden. Seit seiner Ankunft in Keflavik hatte er fast nur Gegenwind und isländische Autofahrer um sich, die laut seiner Aussage „wie die Bekloppten führen“. Helmut will schnell weiter, weil er seinem Pensum nachhinkt. Ich mache ihm, durch die Mitteilung, noch vor einer halben Stunde etwa 20 Kilometer lang starken Gegenwind gehabt zu haben, wage die Hoffnung auf bessere Windverhältnisse. Vielleicht hat er etwas Glück…
…Der Rückenwind unterstützt mich noch einige Kilometer weit, dann serviert mir die Hügelkette zur linken den Tennis-Gegenaufschlag und lässt mich viel langsamer vorankommen. Erst etwa 30 km vor Borgarnes wird der Wind schwächer, macht schließlich Feierabend. Es beginnt zu tröpfeln, der große Regen verzieht sich aber wieder, bleibt über dem Fjord vor Borgarnes hängen…
Ein Mann hupt aus einem Auto heraus, winkt mir zu, bleibt 500 m weiter stehen und filmt den vorbeisausenden Radler und bejubelt ihn lautstark. Dieser bleibt natürlich stehen.
Sigurjón Ólafsson (48) aus Reykjavík ist völlig platt, als er von mir auf Isländisch angesprochen wird. Will nicht glauben, dass ich erst so kurz Isländisch lerne. Gesprächsteile filmt er sogar mit seinem iPhone. Ich bitte ihn, auch ein kurzes Radlervideo mit meiner „Apfel-Taschen-Kamera“ mit der man auch telefonieren kann zu machen. Sigurjón kennt sich aus in Island, kennt die Vogelfelsen, die ich besuchte und ist fassungslos, dass ich dort überall per Rad und mit vollem Gepäck hinaufgekommen bin.
„62 bist du? Mensch du bist ja viel sportlicher als ich! Ich habe vor 5 Jahren mit dem intensiven Radfahren begonnen, um abzunehmen und fitter zu werden, aber du???“…
Er ist voller Staunens und erzählt mir – einfach nebenbei -, dass er im Juni, in den Tagen als ich in Island ankam, die große Runde auf der Ringstraße 1 um Island herum bestritten hat.
„Wow!“, staune ich ganz fasziniert, „aber doch nicht allein?!“
„Nein, nein, das geht nicht. Aber im Zehnerteam. Und mein Pappi (isländisch für Vater) war auch dabei.
Diesmal bin ich platt. Las ich doch in der Bordzeitung der WOW-Air mit der ich nach Island flog, dass es dieses Radextremrennen gibt, und treffe nun direkt einen Teilnehmer…
Ein ganz herzliches, vielleicht viertelstündiges Gespräch unter uns Radlern.
Viele Grüße nach Island, lieber Sigurjón, falls Du dies liest…
Ich komme in guter Stimmung in Borgarnes an, der leichte, zwischendurch wieder einsetzende Regen verschwindet.
Vor dem „Stadt“ direkt neben der Straße befindet sich ein einfacher Zeltplatz.
Dort werde ich übernachten, fahre aber zunächst zum Einkaufen in den Ort hinein.
Der Supermarkt hat fast alles wonach ich suche. Eine breite Packbandrolle, mit deren Hilfe ich mein Rad für den Rückflug präparieren will, fehlt aber. Zur Not muss die 1,5 cm breite Tesa-Rolle, die ich hier finde ausreichen…
Die Geschäfte, in denen ich mich mit Islandpullis, Eiderdaunenkissen, Filzpantoffeln etc. eindecken könnte, sind längst geschlossen.
Die schönsten Islandpullis allerdings aus reiner Alpakawolle gefertigt, strickte mir Moni. Der erste wurde 1981 fertig, in der Nacht, direkt vor unserer allerersten 10.000-Kilometer-Auto-Billigzelt-Konserven-im-Kofferraum-Skandinavien-Rund-Tour über Puttgarden-Helsingborg-Lillehammar-Trondheim-Inari-Kuopio-Palsina (60 km süd-westlich von Jyväskylä)-Naantali-Kappelskär-Helsingborg-Puttgarden.
Als er sich nach 25 „Dienstjahren“ 2006 zum Ende der ersten „Radtour zur Mitternachtssonne“ (Oslo – Kirkenes) aufzulösen begann und von mir während der Tour mit Hansaplast an kritischen Stellen „notrepariert“ wurde, überraschte mich Moni mit einer Kopie gleichen Musters, wieder aus Alpaka.
Dieses Original dient mir seitdem – nicht nur, aber auch – bei all meinen Radtouren. Hier in Island besonders während des Radelns bei windigen sommerlichen Tagestemperaturen zwischen 5°-10°C und oft sogar bei Aufstiegen wenn es 0° – 5° C kalt ist. Ja und nachts nätürlich immer als „Kissenbezug“ für mein aufblasbares Kopfkissen. Danke!
Hoppla!, eine ähnliche, nur viel feinere und größere Tagesdecke häkelte meine „Strickliesel“ 2016…, muss wohl im Trend sein…
Auf dem Rückweg zum „Campingplatz“ eine kleine Pause: Ich spreche am Wegrand noch mit zwei kanadischen Trampern aus Vancouver, die nach Akureyri wollen und die Daumen heben. Lachend bleibe ich stehen, kann ihnen aber nicht helfen…
Auf dem Zeltplatz angekommen, unterhalte ich mich bald mit einem deutschen „Motorradpärchen“ aus Darmstadt (Mein Nachtquartier ist inzwischen direkt neben ihrem Salewazelt aufgeschlagen),
mit einer Amerikanerin,
mit dänischen Trampern aus Fünen
und mit einem älteren Isländer…
Die Kleinstsanitäranlage (ohne Dusche!), um die sich die Zeltler „gruppieren“, hat kommunikationsfördernde Qualitäten…
Am Abend: Herrliche Tomatenbrote mit frischer Zwiebel, Käsebrote sowie Äpfel zum Nachtisch und kein Regen: Was will man mehr…
Die Zeltgebühr wird aber auch hier erhoben: Umgerechnet knapp 10 €, um 21.30 Uhr…
Gute Nacht!
Montag, 18. Juli: Hnjótur – Stykkishólmur
25. September 2016 Marsollek
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Die Etappe auf der Islandkarte ist insofern ungenau eingezeichnet, als dass es keine Direktfähre vom Látrabjarg nach Stykkishólmur gibt und ich wieder mit „Baldur“ unterwegs sein werde. Verdeutlicht werden soll, dass die Rückfahrt vom westlichsten Punkt Islands (Europas?) beginnt…
Aus dem Reisetagebuch:
Montag, 18. Juli
Eine Drossel verfängt sich morgens am Rad zwischen Flaschenhalter und Flasche. Vorsichtig ziehe ich die „Balance“-Flasche heraus und befreie den verschreckten Sondergast…
Da mich Schafe um 4.30 Uhr wecken, fahre ich bereits um 5.20 Uhr los. Vielleicht schaffe ich die Fähre nach Stikkisholmmúr um 12.00 Uhr noch… Die nasse Wäsche muss die nächsten 25 km im Plastikbeutel staubgeschützt mitfahren.
Ein stark „herangezoomter“ Blick über den Fjord auf Patreksfjörður
Ein etwas „besserer“ Streckenabschnitt, etwa 50 m über dem Meeresniveau – natürlich ohne Leitplanke – aber mit „Hinweis“, sich der Böschung an dieser Stelle nicht zu nähern. Es könnte bei motorisiertem Gegenverkehr eng werden…
Zum Glück begegne ich auf der Schotterstrecke nur 3-4 „unbeweglichen“ Fahrzeugen.
Ein Happy Campers „schläft“ an eine Ausweichsstelle am „Straßen“rand, immer wieder sehe ich aber auch aussortierte, „gewordene Immobilien“:
Schaufelbagger, Landmaschinen, LKW, PKW, Trecker, Anhänger usw. finden in der Landschaft unweit der Straße, wie überall in Island (und wie schon erwähnt) ihre letzte „Ruhestätte“ zum Verrosten…
Küstenseeschwalben ruhen nicht, sie versuchen ihr Revier, das ich wieder durchkreuze mit lautem Gezeter zu verteidigen, fliegen mich an, aber eher „friedlich beobachtend“, stürzen sich nicht auf mich herab, bleiben auf Abstand. Vielleicht erinnern sie sich noch an den Radler von der Hinfahrt vorgestern?…
Fast eineinhalb Stunden später, am Parkplatz beinahe am Ende der Schotterstrecke, „schläft“ im Bergschatten ein großes französisches Wohnmobil.
Dieser Parkplatz entsorgt eine weitere „gewordene Immobilie“: Hier „schläft“ seit 1981 das erste isländische Schiff aus Eisen, erbaut 1914 in Norwegen.
Das Betreten des Decks ist wegen Unfallgefahr verboten. Wie Schade, ursprünglich wollte ich hier frühstücken…,
…da die Bordkantine auch geschlossen sein dürfte, „um die Ecke“, hinter dem vor mir liegenden Berg aber schon die Sonne scheint, radle ich noch 20 Minuten weiter, um ihre Strahlen genießen zu können. Schön, dass ich bald wieder Asphalt unter den Rädern haben werde…
Am Parkplatz an der Straßengabelung zum Patreksfjörður
kräftige ich mich bei herrlichem Sonnenschein für die Serpentinenstrecke, verteile meine nasse Wäsche zum Trocknen hinten auf das mit den Gummibändern gesicherte Gepäck und klettere anschließend in nicht mal einer Stunde den 7 km langen, fast konstant 9% steilen Anstieg hoch. Der Verkehr wächst „mächtig“ an, fünf Fahrzeuge überholen mich während des Kletterns – wahrscheinlich von Patreksfjörður kommend – , während ich auf der Schotterstrecke zuvor ganz allein unterwegs war. Überrascht staune ich über die übergroße, menschenähnliche Warte, die, fast an höchster Stelle des Anstiegs errichtet, die Hochebene „bewacht“. Sie war auch (bei der Abfahrt) vor zwei Tagen nicht zu übersehen. Noch habe ich sie gar nicht erwartet…
Autofahrer finden hier leicht einen Parkplatz, um Erinnerungsfotos zu machen.
Fernradler natürlich ebenfalls…, nur genießen sie dann nach dem über einstündigen scheinbar nicht enden wollenden Kurbeln den Berg hoch auf dem Hinweg zu den Papageitauchern – wie ich vorgestern – gerade die in Gang gekommene Schussfahrt und „schonen“ die Bremsen.
Bei der Rückfahrt hingegen erinnern sie noch, dass ihnen die verbliebene Anstiegsstrecke vielleicht einen weiteren Kilometer lang Kräfte abverlangen wird, die leichter im Zuge des währenden Kletterns zu mobilisieren sind als nach einer Pause „mitten am Berg“ und kurbeln weiter, wie ich jetzt…
Die Abfahrt geht mit 60 km/h zügig voran, die Strecke zur Fähre ist bei wechselndem Wind aber noch weit. Ich erkenne entsorgte Landmaschinen, den kleinen Laden – jetzt natürlich noch geschlossen, meinen Badeplatz…
Es ist wieder Ebbe: Diesmal aber ist keine Zeit zum Baden!
Dass „aufgewachte“ französische Wohnmobil überholt mich.
Hoppla!, auch die beiden Amerikaner tun das etwas später, winken mir aus dem geöffneten Fenster zu, fahren langsam vorbei, wünschen gute Reise und Glück.
Ich genieße die Landschaft wie bei der Hinfahrt, die Strecke „zieht sich aber“. Zur Fähre schaffe ich es aber, bin sogar schon um 11.30 Uhr (hungrig) da. Und „Baldur“ ist noch gar nicht da.
Aber eine lange Warteschlange am Ticketverkauf, keine Zeit sich noch an der Imbissschlange anzustellen.
„Baldur“ kommt, entlässt eine Fahrzeugschlange und Rucksacktouristen.
Ich „schlängele“ mich an der wartenden Autos und Motorrädern vorbei.
Mein Rad wird wieder in einer Box gesichert, um 12.15 Uhr geht es nach Plan in Richtung Stykkishólmmur. Beim Aufstieg aufs Schiff treffe ich noch zwei ukrainische Rucksacktouristen aus Dnipropitrovsk, die bis zum Krieg in Donezk lebten. Erinnerungen an die Schüleraustauschaktivitäten „meiner“ Schule mit Bochums Partnerstadt, die ich seit 1989 mitorganisierte werden wach. Krieg in der Ukraine – damals und bis vor wenigen Jahren kaum vorstellbar…
Leider ist der Bordimbiss nicht in Betrieb, wahrscheinlich schaffte es die Crew noch nicht, die bei der Hinfahrt schon klemmenden Rollos der Theke zu reparieren.
Ich höre einen Jungen mit Rucksäckchen und Schlafkissen, der offenbar allein unterwegs ist, telefonieren. Isländisch?
Talar þú íslensku?
Ómar Örn Ómarsson aus Reykjavík ist 15, kommt nach den jetzt nur noch zwei Monate langen Ferien in die zehnte Klasse. Ómar (gesprochen Oumar) ist begeisterter und talentierter Fußballspieler und muss wohl, wenn ich es recht verstanden habe, gleich nach der Rückkehr nach Reykjavik zu einem Spiel nach Akureyri aufbrechen. Zwischendurch ruft er seine Eltern an und berichtet von mir, seiner neuen Bekanntschaft. Sein Pappi (so heißt Vater auf Isländisch) sucht auch gleich mein Blog auf. Ómar hat auf seiner Kurzreise einen der 50 in Island wieder heimischen Seeadler gesehen. Er ist ganz stolz und glücklich, weil er in seinem Namen (Örn) ja auch den Adler mitträgt…Bordschmuck auf „Baldur“
Pilot möchte Ómar später werden und internationale Flüge lenken. Fahrrad fährt er aber auch gern und bewundert meine Reiseart, weil sie viel preiswerter ist, als im Hotel zu übernachten. Und man sieht viel mehr. Wir unterhalten uns über Vogelfelsen (ich zeige im Bilder davon und auch von meinen Traumzeltplätzen), unterhalten uns über Schule, über Ferienreisen und so weiter. Nur ganz selten muss ich auf englisch nachfragen und bin glücklich, schon soviel in seiner Muttersprache verstehen zu können. Eine „Glücksbegegnung“.
Zwischenhalt auf Flatey, diese Kleininsel ist laut Ómar sehr sehenswert…, muss ich mal einen Zwischenhalt einplanen…
Ómar ist ein geschickter, aufmerksamer Erzähler und kann mir in seiner Muttersprache sehr flexibel zum Verstehen seiner Gedanken verhelfen. Er hat zwei jüngere Brüder und freut sich darauf, bald mit
der ganzen Familie für 3 Wochen in Frankreich in Nizza, Paris und anderen Orten durch Wohnungstausch einen dreiwöchigen Urlaub machen zu können.
Die dreistündige Schiffsfahrt vergeht wie im Fluge: Danke lieber Ómar, für die zweistündige Supernachhilfe in Isländisch, viel Glück für die Zukunft und viel Freude beim Entdecken dieses Blogeintrages…
… Ich muss länger warten, bis mein Rad aus der Box freikommt. Zunächst will ich essen gehen. Da aber die Sonne scheint und der Wind bläst, ich noch viel nasse Wäsche habe, verproviantiere ich mich im nächsten Supermarkt (Bónus) und radle zu meinem am Wochenende übervoll gewesenen Campingplatz.
Wie anders das Bild jetzt, am Montag: schätzungsweise nur ein Zwanzigstel vom Platz besetzt, am letzten Freitag war aber alles übervoll. Offenbar hat ganz Reykjavik das letzte Wochenende hier verbracht…
Ich baue mein Zelt an gleicher Stelle auf wie vor 3 Tagen, „guatsche“ mit Holländern, die in der Nähe der belgischen Grenze wohnen, mit Mietauto und Zelt reisen – und natürlich von Island fasziniert sind – und radle dann zur Rezeption.
Der junge Mann erkennt mich wieder und ich „guatsche“ ihn zu. Es macht ihm offensichtlich Freude, mit einem Ausländer Isländisch reden zu können…
Auf meinem „Feldherrenhügel“ steht außer den Niederländern auch ein Berliner Campingbus.
Den Mann (Arzt im Ruhestand) spreche ich an und erkundige mich nach den Überfahrtkosten.
Sie entschlossen sich ganz kurzfristig, für 5 Wochen nach Island zu reisen, sodass sie auf der Hinfahrt nur eine 6 Personen Kabine bekamen. Inklusive Verpflegung, Überhöhe des Fahrzeugs und Doppelkabine bei der Rückfahrt zahlten sie etwa 2100 € und haben ihr eigenes bekanntes Fahrzeug, das sie schon überall hinfuhr „bei sich“.
Das rechnet sich, angesichts der Preise für Mietautos in Island.
Wir unterhalten uns länger, Sie begeistern sich schnell für die Möglichkeit, Papageitaucher ganz aus der Nähe und ganz ohne sportliche Anforderungen sehen zu können.
Beim Essenzubereiten spricht mich Cathy, eine recht „kräftige“ Australierin an. Sie ist seit 2 Monaten per Rad im südlichen Island unterwegs und ganz überwältigt. Die Wärme fehlt ihr, allerdings lebt ihr Bruder auf Tasmanien, wo jetzt Winter ist und gleiche Temperaturen wie auf Island herrschen.
Cathy will noch für paar Wochen „in die Wärme“ nach Deutschland. Und in die Niederlande, wo sie offenbar Verwandte hat…
Der Nachmittag und Abend vergehen in willkommener Muße.
Die Wäsche ist trocken.
Die „praktikerprobte“ Fahrrad-Zelt-Wäscheleine ist Klasse. Lasse ich wohl patentieren. Hi hi…
Das Nichtstun tut gut.
…Die Restspaghettiportion, die ich spätnachmittags verdrücke, ist wohl die größte, seit einem Wettessen 1974(?) anlässlich der Abifeier meiner damaligen Freundin und jetzigen Frau
(…der meine Extremsolotouren der letzten 10 Jahre unmöglich zuzumuten wären, die mich vor, während und nach diesen aber, wie in der Planung neuer Vorhaben, aus Kenntnis meiner „Besonderheiten“ und jahrzehntelanger, gemeinsamer Reiseerfahrungen kompetent, schier unerschöpflich – und ganz sicher unbeschreiblich – stützt. Danke und (hier) nur ein: „UNENDLICHHOCHUNENDLICH“…)
als ich gegen Bernd Bonnermann und Herwart Küsell aus Wetter an der Ruhr antrat und symbolisch gewann, weil ich noch zwei der drei vereinbarten Trinkpausen in Reserve hatte, während sie ihre schon verbraucht haben.
Man ist doch in der Jugend – UND JETZT IM GESETZTEREN ALTER – doch vor keinem Blödsinn gefeit!…
(Schlafe dennoch gut, muss aber ausnahmsweise „nachts“ um halb zwei raus. Bei starkem Ostwind und schönem Himmel. Der Vollmond hängt hinter den Wolken am Horizont im Süden, die Sonne unter dem Horizont im Norden). Island, frábær (fantastisch)!
Zum ersten Mal erlebe ich hier den Anschein einer Dämmerung. Farben sind aber noch deutlich zu erkennen…
Sonntag, 17. Juli: Hnjótur-Látrabjarg-Hnjótur: Unter Papageitauchern und 2CV-Enten/46 km
13. September 2016 Marsollek
Islandkarte 22-23
Aus dem Reisetagebuch:
Sonntag, 17. Juli
Der Wecker weckt mich vor 6 Uhr.
Die Nacht war windig, der Himmel verzog sich zwischendurch.
Zeit zu schreiben.
Nieselregen…
Der Niesel hört auf, ich mache mich fertig für die Radtour zum Látrabjarg.
Kurz oben in der Küche treffe ich noch die beiden Finnen und – das gibt’s doch gar nicht! – Joachim, meinen fränkischen Bekannten von gestern.
„Ja die Papageitaucher lassen sich gern fotografieren“, sagt er begeistert, „als ob sie warten würden, wann du endlich abdrückst“…,
Joachim will heute mit Frau und Tochter weiter nach Norden. Gestern haben sie sich mittags hier im Haus, das etwa 7 Zimmer hat ein Nachtquartier reserviert und sind dann zu den Vögeln gefahren. Dass wir uns gestern nicht getroffen haben lag wohl daran, dass sie lange bei den Vögeln geblieben sind.
„Der Weg wird noch schlimmer werden, die ganzen 23 km lang geht es immer hoch und runter“, erfahre ich noch von ihm…
Das trockene Zelt verpackt, mache ich mich mit vollem Gepäck auf zu den Vögeln.
Mitten am ersten, größten Anstieg fällt mir ein, dass ich ja das Gepäck auch hätte zurücklassen können, da ich zwischendurch beschloss, heute wieder an selbige Stelle zurückzukehren.
Nach bewältigten 300 Höhenmetern auf Schotterschlaglöchern mit mindestens 10% Steigung macht man das aber nicht!… Die Sonne hebt die Wolken schon soweit, dass ich nur am Ende des ersten Anstiegs in den Wolkennebel „getunkt“ werde. Kaum Pflanzenbewuchs auf der Hochebene.Es geht hinab, um bald wieder fast auf Wolkenhöhe zu steigen.
Blick von oben auf Breiðavik abseits der Strecke, 13 km östlich des Látrabjarg.
Látrabjarg???
Denkste!
Ich wähnte mich hier fast am Ziel, hatte aber noch einige Kilometer vor mir mit einer sehr steilen Serpentinenabfahrt von etwa 300-400 Höhenmetern (unten)
mit anschließendem Anstieg auf vielleicht 200-300 m über dem Meeresspiegel…
Etwa zwei Kilometer vor dem Anstieg zum Látrabjarg, direkt an der Küste liegt Hvallátur, der laut Eigenbezeichnung der Einwohner „westlichste bewohnte Ort Islands“. Einige Männer sitzen auf der Südterrasse ihres Hauses, genießen die Sonne und grüßen mich freundlich und überrascht. Manchmal grüße auch ich als Erster.
Sehr unfreundlich begrüßt und begleitet werde ich am Ortsende von Küstenseeschwalben, die sich wild kreischend auf mich zu stürzen versuchen – bin so etwas schon gewohnt – der Spuk ist nach 100 m vorbei…
Kurz vor dem Aufstieg sehe ich den auf meiner wasserfesten Landkarte verzeichneten „Campingplatz“: Er besteht lediglich aus einer kleinen Baracke mit zwei Toiletten und Mini- Waschmöglichkeit (Hinweis: kein Trinkwasser!) sowie einer größeren flachen Ebene um das Häuschen herum auf der man sein Zelt aufschlagen könnte. Heute mag das niemand tun. Ich auch nicht!
Scharfe Haarnadelkurve auf der Abfahrt zu Hvallátur
Angekommen!
Durch Joachims Vorwarnung war meine Hoffnung zwar weg, nach dem Anfangsaufstieg auf einem beständigen Hochplateau bis zum Látrabjarg gelangen zu können, andererseits wusste ich, was mich erwartet und war nach dreieinhalb Stunden tatsächlich da, kurbelte mich zwischen den parkenden Autos (darunter im „fliegenden Wechsel“ zunächst einer, dann vier bis zehn 2CV-Enten) vorbei, die mich vorher gehörig mit rötlichem Staub einpuderten bis zur kurzen Aufgangstreppe hinauf und parkte etwa 30 Höhenmeter über dem Parkplatz und 50 Höhenmeter vor den ersten vermuteten Vögeln meinen Stori-Karl.
Pause!
Helinox-Sessel in wenigen Sekunden aufgebaut,
Tee eingeschenkt,
Klick- gegen Laufschuhe ausgetauscht,
etwa 50 g Marzipan und eine halbe Schokolade als Stärkung eingenommen.
Immer wieder Gespräche mit Vorbeikommenden (Isländern, Deutschen, Franzosen, Niederländern, US-Amerikanern, Schweizern) die fassungslos das bepackte Rad anblicken und sich nach meinem Reiseverlauf erkundigen.
„Fliegender Staubwechsel“: Ein Fahrzeug kommt, das andere eilt schon zurück. Manche Fahrzeuge überholten mich auf der heutigen Fahrt und kamen mir nach kaum zwei Stunden wieder entgegen: „Mann, haben es doch manche auch auf Island eilig!“, denke ich des Öfteren. Allerdings respektieren fast alle den Radler auf den Steigungen und während der flachen Abschnitte, betätigen die Lichthupe oder Hupe, bleiben – nicht nur heute – an kritischen Stellen mitunter sogar stehen, heben beide Daumen oder applaudieren einfach. Schön!
Weniger begeistert beteiligen sich daran die (meistens männlichen) Lenker mir entgegenkommender PS-strotzender „Allradfahrzeuge auf Abenteuer-Expeditionskurs“, während mir deren (meistens weibliche) Beifahrerinnen fast immer ein sehr freundliches Lächeln schenken, das ich gern erwidere…
Mein Reiselogo auf dem Jackenrücken mit Islandkarte und „SPRICHST DU ISLÄNDISCH“ in Landessprache tut auch auf der ganzen Insel seinen Dienst: Von hinten kommende Autofahrer warten mitunter geduldig vor unübersichtlichen Kurven mit Anstiegen, freuen sich, wenn ich sie mit einer ruhigen Handbewegung vorbeiwinke und bedanken sich auch mal mit einem kurzen Hupsignal dafür.
SONDERFALL (wird auf der Rückfahrt vom Látrabjarg Realität): Gar keinen Respekt scheinen adrenalingesteuerte, darth-vader-helm-bewehrte Fahrer gemieteter Quads mit Überrollbügel vor Radlern zu haben, vor allem, wenn sie im Pulk auftreten:
Sie brettern die Kurven mit Power-Slide und aufheulendem Motor im „PASS-AUF-SONST-MACH-ICH-DICH-PLATT-MODUS hoch, dass der Schotter nur so fliegt…, die Staubwolke benötigt eine halbe Minute, um sich zu verziehen…
Da schießen selbst mir anarchistische Gedanken durch den Kopf: Wie gern würde ich doch den Burschen durch eine kleine Manipulation das Fahrzeug außer Betrieb setzen…
Aber auch für den Motorausfall ist vorgesorgt: Nach einiger Zeit rollt mir ein PS-Monster mit Riesenanhänger, einem aufgeladenen Quad und Platz für mehrere weitere entgegen. Der Chaffeur schenkt mir ein sehr freundliches Lächeln. Na also!…
Die Vögel übrigens, auch Alke, besonders die Papageitaucher und selbst die Lummen aber auch Möwen, welche etwas tiefer oder weiter entfernt ihre Nester haben, sind wirklich wenig scheu und fliegen nicht gleich weg, selbst wenn man sich ihnen ganz ruhig und bei Gelegenheit mit der Kamera bis auf 50 cm nähert. Eine einmalige Gelegenheit, für auch ältere, nicht sehr sportliche, motorisierte Menschen, am Látrabjarg (gesprochen Lautrabjarg) zu besonderen Bildern/Erlebnissen zu kommen.
Ach ja, Gefahren lauern den Vögeln doch auf: ich sah Kolkraben mit Beute im Schnabel inmitten verschreckter Vögel wegfliegen. Sicherlich holen sich auch Möwen oder Raubmöwen und andere Gelegenheitsräuber ihren Anteil bei diesem so prächtig gedeckten Tisch.
Unbeschreiblich!!!
Wem die obigen Bilder als Eindruck eines der größten Vogelfelsen der Welt genügen, der mag das kommende „übersehen“, weiter unten die abschließenden Sätze zum heutigen Tage lesen und auf die letzten Berichte zu meiner Island-Radtour warten.
Wer aber eintauchen möchte in eine Fülle von Farben und Eindrücken der Vogelwelt einer Weltgegend, die er wahrscheinlich nie selber besuchen wird und welche unbeschreiblich ist, der wird seine Freude haben an der nun folgenden Bilderflut, auch wenn sie doch nur sehr dürftig die wahre Begegnung mit den Vögeln widerspiegeln kann:
Der westlichste Punkt Europas, nur etwa 200 m von Stóri-karl. meinem Fahrrad entfernt.
Vor der Rückfahrt nach Hnjótur.
Bei den Vogeln war es tatsächlich unbeschreiblich schön, ich kletterte den 14 km langen Berg etwa 3 km weit aufwärts (einige (Autotouristen) gingen noch weiter) und machte mich nach etwa 3 Stunden am Látrabjarg per Rad auf die Rückfahrt, schon wohl wissend, dass sie außer dem mehrere hundert Meter hohen Extremanstieg nach etwa 3 km, leichter zu bewältigen sein wird als die 23 km Hinfahrt.
Da war doch was????? Ja, die fünf Quads sind schon weg, die Staubwolke und das Röhren der Motoren sind aber noch länger zu sehen und zu hören…
ZUR ERINNERUNG: WAR WEITER OBEN SCHON ZU LESEN: (SONDERFALL (wird auf der Rückfahrt vom Látrabjarg Realität): Gar keinen Respekt scheinen adrenalingesteuerte, darth-vader-helm-bewehrte Fahrer gemieteter Quads mit Überrollbügel vor Radlern zu haben, vor allem, wenn sie im Pulk auftreten: Sie brettern die Kurven mit Power-Slide und aufheulendem Motor im „PASS-AUF-SONST-MACH-ICH-DICH-PLATT-MODUS hoch, dass der Schotter nur so fliegt…, die Staubwolke benötigt eine halbe Minute, um sich zu verziehen…
Fast zurück in Hnjótur. Die Wolken sind nahezu verschwunden, kein Nebel, Abfahrt statt steiler Auffahrt wie zu Beginn der Etappe: Das hat was…
Vorsicht! Der mit Schotter, Schlaglöchern, aufragenden Steinen „gewürzte“ Weg erlaubt Fernradlern aus Selbsterhaltungstrieb nur „Schussfahrten“ in gemäßigtem Tempo. So „fliegen“ auch einige 2CV-Enten mit gemütlichen „Töff-Töff-Töff“-Geräuschen des bergab bremsenden Motors an mir vorbei. Die letzten zwei „schwammen“ per Schiff aus der Schweiz herbei…
Die Ansammlung von ausrangierten Fischerbooten und Flugzeugen „mit Hangar“ in Hnjótur fiel mir schon gestern auf, als ich ganz zufällig „meinen“ Zeltplatz, den ich gerade wieder fast erreicht habe, entdeckte. Es ist ein Museum, das ich dieses Mal nicht mehr, das nächste Mal aber ganz sicher besuchen werde.
Hier zur Zwischeninformation ein paar Sätze aus meinem mitgeschleppten „DUMONT-Island-Reise-Taschenbuch“ (danke sehr Kahina!): „In Hnjótur gibt es ein bemerkenswertes Museum zu sehen. Egill Ólafsson sammelte Alltagsgegenstände der Region, vor allem alles zum Fischfang, und auch einige Flugzeuge (Juni-Sept. tgl. 10-18 Uhr, www.hnjotur.is). Etwas oberhalb steht ein Mahnmal für die britischen Seeleute, die in den gefährlichen Strömungen vor den Steilküsten untergegangen sind.“
Die „Schweizer Enten“ interessieren sich durchaus für Egill Ólafssons Museum, sodass ich die dort ausgestiegenen Besitzer nach dem Baujahr der Vögel frage. „Nicht zu beantworten!“, sagen mir die Piloten, „es sind Teile verschiedener Modelle aus mindestens zwei Jahrzehnten zum Ganzen zusammengefügt worden“…
Wozu noch ein PS-Monster, wenn eine „Töff-Töff-Ente“ auch überall hinfliegt – weltweit:
„Unser“ erstes Fahrzeug war 1973 ein 2CV mit 16 PS. Ich kaufte die Ente fast schrottreif für 200 DM(!), ein Freund brachte sie mittels Schrauber- und Schweißtechnik durch den TÜV.
Nur 5l Benzinverbrauch je 100 km waren für das Cabrio schon damals kein Problem…, eher aber die 80 km/h, die der Vogel als Höchstgeschwindigkeit erreichte, weil das Gehupe der LKW-Fahrer bei Autobahnanstiegen nervig war…
Winfried, der frisch pensionierte Triathlet, dem ich vor Wochen in Egillsstadir begegnete und der mich an meine Zeit als aktiver Skateboardwettkämpfer erinnerte erzählte mir, auf seiner Fähre von Hirtshals nach Seyðisfjörður seien auch acht 2CV-Enten dabei gewesen. So wunderte es mich auch nicht, dass mir diese Enten bei meiner Tour durch Island immer wieder begegneten. Bis es zu viele wurden. Viel zu viele. Hunderte aus bestimmt zwanzig verschiedenen Nationen. Auch aus Irland, sogar aus Russland!!!
2CV-Enten sind wahre Zugvögel mit buntestem „Blechgefieder“ und interessantesten Ausformungen: Die wahren „Papageitaucher“ unter den „Geländefahrzeugen“. Deren Besitzer veranstalten regelmäßig UND WELTWEIT(!) Treffen und Fernfahrten mit bis zu mehreren TAUSEND Fahrzeugen. Und 2016, vom 3.-30. Juli auch wieder durch Island (Das recherchierte ich erst nach meiner Rückkehr). Da kriegen die „armen“ PS-Monster-Fahrer auf einem Parkplatz am Látrabjarg neben einem solchen Exoten, der mit weniger Leistung dennoch angekommen ist, leider „keine Schnitte der Bewunderung“ ab…
„Die 2CV-Ente ist kein Fahrzeugtyp, es ist ein Lebensgefühl“, las ich irgendwo.
Stimmt, und wir gehörten 1973 über drei Monate dazu, konnten daran nippen. Unsere Ente wurde für 750 DM verkauft, als mir mein Vater ein „Bochumer“ Fahrzeug, seinen alten Opel-Kadett Baujahr 1965 (PS-Monster mit 45 Pferdestärken) schenkte: Jeder Popel fährt ´nen OPEL… Ich auch, seit weit, weit mehr als einer Million Kilometern…
Tatsächlich, bereits nach zweieinhalb Stunden bin ich wieder an „meinem“ Campingplatz mit Koch-, Dusch- und Lademöglichkeit für IPhone etc., Das Letzte diesmal sehr hilfreich, da bei den Klettertouren und vorsichtigen Abfahrten das Laden per Raddynamo nicht sehr effektiv war, mein „Apfel-Taschen-Telefon“ (danke für den Begriff, lieber Stefan!) aber viel Energie benötigte, um Bilder und Kurzvideos meiner gefiederten „Top-Modells“ aufzunehmen…
Ich baue das Zelt auf, überreiche draußen der gerade Wäsche aufhängenden Wirtin die 1500 Kronen Miete, koche diesmal zwei Dosen mexikanische Hotchillibohnen mit Massen von Röstzwiebeln und verquatsche mich mit einem jungen amerikanischen Pärchen aus Minnesota, das per Mietauto/Zelt begeistert unterwegs ist. Beide sind Mathematiklehrer.
Natürlich genießen Sie Island, machen sich aber große Sorgen um die Entwicklung in ihrer Heimat mit Rassenunruhen, Polizistenmorden und einer schwierigen „allgemeinpolitischen“ Situation.
Zwischendurch erfahre ich, dass das Haus in dem ansonsten absolut funkstillen Ort über eine recht gute, kostenfreie WLAN-Verbindung zur Außenwelt verfügt(!!!) und nutze die Möglichkeit etwas zum Bilderverschicken.
Zwischendurch erscheint auch ein weiteres junges Pärchen aus Polen im Haus. Sie Jazz-Sängerin und seit 3 Jahren jeweils für 3 Monate im Sommer auf Island freiberuflich erfolgreich im Einsatz, zeigt ihm, erstmalig in Island zwei Wochen lang die Besonderheiten der Insel.
Isländisch können beide nicht, aber Englisch. Wir einigen uns zu deren Freude auf Polnisch und tauschen bestimmt eine halbe Stunde lang unsere Gedanken aus. Russisch können sie nicht. Das ist in Polen inzwischen passé.
Direkt nach meiner Rückkehr von den Vögeln mache ich noch eine Großwäsche, um meine rötlich leuchtenden Sachen zu entstauben, in der Hoffnung, dass sie vom Nachtwind getrocknet werden.
Pustekuchen!, die ganze Nacht herrscht Windstille…
Samstag, 16. Juli: Stykkishólmur – Brjánslækur – Kleinfaheiði – Hnjótur/70km
11. September 2016 Marsollek
Islandkarte 21-22
Auch wenn es gestern 175 km mit vielen Höhenmetern wurden: Durch den sich im Laufe der Strecke günstig drehenden Starkwind, der mich fast beständig anschob – und auch als Seitenwind über vielleicht 30 km nicht besonders störte – zähle ich diesen Tagesabschnitt zu den eher leichten Etappen meiner Island-Rundtour. Hätte der Wind hingegen (hypothetisch angenommen) bei gleicher Intensität immer in entgegengesetzter Richtung geblasen, so wäre ich „aus langjähriger Erfahrung“ auch im Ziel angekommen, ich hätte aber sicherlich die ganze „Nacht“ durchradeln müssen, um pünktlich zur Morgenfähre Stykkishólmur-Brjánslækur zu gelangen… Island ist unberechenbar…, ich muss bald wiederkommen…
Ich wache bereits gegen 4.00 Uhr auf, beschließe aber „auszuschlafen“. Der ganze vollgestopfte Campingplatz schläft noch, als ich gegen 6.00 Uhr meine kleine Runde mache. Ein dackelgroßer „Wachhund“ bellt mich aus seinem Versteck unterhalb eines Wohnwagens an…
Es will wieder ein sonniger Tag werden.
Schön! Ich schreibe Tagebuch und lese etwas über „meine“ Papageitaucher, freue mich auf die Überfahrt. Heute sind wohl nur gut 90 Kilometer auf der anderen Seite des Breiðafjörður zu bewältigen. Und ich habe Zeit.
Gar nicht so einfach, sich daran zu gewöhnen, dass keine sehr langen Strecken mehr zu bewältigen sind an den mir noch verbliebenen Reisetagen.
Gegen 8 Uhr erreiche ich den Hafen. Am Schalter Gedränge. Viele Deutsche. Ich werde vorgelassen. Alles geht zügig voran. Mein Rad verschwindet nicht wie erwartet im (kleinen) Schiffsbauch von „BALDUR“. Es wird in einer Box gesichert und per Kran auf das Oberdeck gehievt. Der für die korrekte Beladung zuständige „Schiffsoffizier“ gibt seine Anweisungen, alles passt!
An Deck lerne ich Joachim, Maschinenbauingenieur, Cécilia, Bibliothekarin und deren Tochter Tamara kennen, die vor dem Studium noch einmal mit den Eltern verreist. De große Bruder ist nicht mit. wir führen ein nettes dreistündiges Gespräch, das sich zum großen Teil auch mit dem deutschen Schulsystem und seinen Nöten befasst.
Angekommen. Wunderbares Wetter. Zur Sicherheit fotografiere ich im roten Ticketpavillon in Sichtweite von „Baldur“ den Fahrplan, um meine Rückpassage besser planen zu können.
Ein schöner, welliger,kurvenreicher Kurs gibt beständig phantastischen Ausblicke auf den ruhigen Fjord frei mit seinen bei Ebbe „schlummernden“ Ufern.
Jeder „Guck“ ein Postkartenmotiv, egal ob man das Meer zur linken, oder die zerklüfteten Felsenformationen zur rechten Seite anvisiert. Kleine Weidestreifen mit Kühen, Schafen oder Pferden als „Puffer“ zwischen Straße und Berg, ein Bauernhof mit um ihn gruppierten Wirtschaftsgebäuden im Hintergrund an den Berg „geklebt“ akzentuieren alles zusätzlich.
Vor Begeisterung komme ich kaum voran, bleibe immer wieder stehen und bedauere die Autofahrer, die nicht überall anhalten können.
Selbst die „natürliche Entsorgung“ von Wirtschafts- und anderen Fahrzeugen, von Erntemaschinen, von rostfreien Milchzisternen oder -zentrifugen, von Straßenbaumaschinen, Hochseeschiffen(!) oder von Doppeldeckerbussen (ehemals als fahrende Kolonialwarenläden gebraucht) oder von rostenden, lange nicht mehr genutzten Blechdach-Lagerhallen, Viehställen, „langsam zerfallenden Steingebäuden“ – während der moderne Neubau der Nachfolgegeneration mitunter daneben steht – erfreut sich in Island großer Beliebtheit und „allgemeiner Verfahrenspraxis“ und hat nach Jahrzehntelanger „Open-Air-Lagerung/Reifung“ bei Wind, Vulkan und Wetter“ sogar etwas charmantes an sich (etwas „charmierendes“, würden unsere dänischen Freunde sagen)…
Gerade wenn man als Radler in den menschenleeren Ostgebieten Islands unterwegs war, freut man sich kurioser Weise mitunter über solch seltene „Spuren menschlicher Zivilisation“. Auch wenn sich die ursprünglichen Nutzer längst durch Versterben der ökologischen Verantwortung bezüglich solcher Vorgehensweisen entzogen haben dürften…
Nach knapp 30 km ein kleiner Laden mit Handarbeiten, Kunstgegenständen und wenigen Lebensmitteln, wie Eiern und Räucherfisch. Er ist für wenige Stunden täglich geöffnet. Ein nettes Gespräch mit der Verkäuferin.
Das Meer ist „ausgezogen“…
Nur ein paar Kilometer und einige oben beschriebene „Spuren menschlicher Zivilisation“ weiter nähert sich der Sandstrand bis auf etwa 100 m an die Straße heran. Eine kleine Kuhherde auf der anderen Straßenseite glotzt den Radler interessiert an. PKW können hier schlecht stehen bleiben. Der Milchbauernhof ist noch etwa einen Kilometer weit entfernt, eine Möglichkeit, motorisierten Touristen ein Meeres-Kneipbad zu ermöglichen etwa zwei Kilometer weit, ein riesiger mich erwartender Aufstieg etwas dahinter ist schon zu erahnen. Die Karte bestätigt, dass mich gleich eine Hochebene, die Kleinfaheiði in die Quere kommen wird. Da muss ich gleich hinauf.
Gleich?
Denkste!
„Fahrradparkplatz“ unweit einer durch die Ebbe freigelegten Sandbank…,
einhundert Meter seitlich der Straße…
Weißer Sandstrand auf Island, Badewetter.
Das Wellenbaden lasse ich mir bei dieser Gelegenheit doch nicht entgehen, auch wenn das Wasser bestimmt keine 10° C, vielleicht aber doch schon „warme“ 5°C erreicht haben dürfte.
HEEEERRRLICH!!! Kurz, erfrischend, herrlich!
Also: 2 Stunden Meeresurlaub mit ausgiebigem Spätfrühstück (das Schiffsbuffet war wegen defekten Rollos an der Theke nur sehr kurz geöffnet, ich kam nicht zum Zuge), ein kilometerlanger freier „Badestrand“ und anschließend: „Sonnen, Dösen und Entspannen im Klappsessel“, meiner neuen sehr lohnenswerten Luxusergänzung des Equipments nicht nur an diesem wärmsten Tag meiner Reise.
Paradiesisch! Papageitaucher&Co müssen sich noch etwas gedulden…
Die „Privatsandbank“ verabschiedet sich…
Der „Badeurlaub“ endet, als die Flut sich dem Ufer nähert.
Weiter! Nach wenigen Kilometern beginnt der Anstieg – beständig 8% Steigung – und dauert eine Stunde und 5 Minuten. Geschätzt mehr als 4000 Kurbelumdrehungen im ersten Gang.
Gut dass ich mich unten so gut ausgeruht und versorgt habe!
Oben, auf dem höchsten Punkt der Kleinfaheiði bin ich trotz Kälte tropfnass.
Die Abfahrt kalt.
Gegenwind erwacht.
Unten angekommen ziehe ich mein nasses Shirt aus und den Alpakapulli an – eine Wohltat. Noch über 40 km liegen vor mir, als der Asphaltweg(Malbikleden) endet. Eine furchtbare Schotterstrecke mit Waschbrettrelief, Schlaglöchern, stärksten Anstiegen, unendlich viel Staub der vorbeizischenden Fahrzeuge und mit starkem Gegenwind folgt. Ich habe Angst um mein Rad.
Auf was habe ich mich da bloß eingelassen?!
Zwischendurch ein Flugplatz mit herrlich asphaltierter Landebahn. Wie gern würde ich jetzt dort entlang fahren…
Erfahrung hilft, einfach weiterzufahren, Kraftreserven sind allemal vorhanden. Stóri-karl hat schon schlimmere Herausforderungen gemeistert.
Ich male mir meine Ankunft heute Abend am Campingplatz direkt bei den Papageitauchern am westlichsten Punkt Europas aus. Die Kilometer schmelzen weg trotz der mitunter notwendigen Gehergeschwindigkeit angesichts der Schlaglöcher. Ich wechsle ständig die Straßenseite in der falschen Hoffnung, dort auf besseren Schotterbelag zu treffen. Küstenseeschwalben fühlen sich vom Radler gestört und greifen mitunter an – kein Problem, heute nur Scheinangriffe…
Ich sehe vor der langsamen Abfahrt den weiteren, mehrere hundert Meter hohen Anstieg auf der Schotterpiste vor mir: „Ach du Schande, das dauert dann wohl doch noch länger“, spukt mir durch den Kopf und ich bereite mich mental auf die weitere Kletterpartie vor.
Plötzlich, ganz unvermittelt, wandelt sich die Schotterpiste in eine Asphaltstrecke um, ein ausgemustertes amerikanisches Flugzeug und zwei ausgemusterte Schiffswracks sind am Ende der Bucht wenige hundert Meter vor mir vor einem großen „Hangar“(?) auszumachen.
Das Schönste aber: Beim Universum nicht bestellt aber sehr erwünscht, taucht ein provisorischer Camping mit Übernachtungszimmern, Toiletten, Dusche und einer großen vollausgestatteten Küche auf. Unglaublich, ich träume nicht…
Heute nur 70 km. Na und? Ich habe Zeit…
Die Hausherrin zeigt mir alles. Die Platzgebühr (freie Platzwahl auf dem weitläufigen, frischabgeernteten Weidegelände um das Anwesen herum), Dusche und Küchenbenutzung inbegriffen kostet mich nur 1500 Kronen, also etwa 11 € , ein Schnäppchen in Island!
Schnell ist das Zelt aufgebaut, ich bin geduscht und koche mir eine Riesenportion Spaghetti. Da ich das Tomatenmark unten im Zelt vergaß, komponiere ich eine feine Senfsoße mit viel Sahne, Röstzwiebeln, Dill, Butter, Gewürzen: Schmeckt ganz anders als gedacht. Aber hervorragend!
Nette lange Gespräche in der Küche mit Finnen aus Helsinki, sie Schwedischlehrerin, er Elektroingenieur, mit Dänen aus Himmelbjerg, einem Isländer aus Akureyri und einer Faröerin, die aus Island stammt. Wir lachen uns krumm über das Sprachengewirr, das sich an diesem Abend der Internationalen Küche bemächtigt…
Um 23.15 falle ich ins Bett, muss aber vorher noch viel trinken, um meine fette Mahlzeit zu „neutralisieren“…
Abendstimmung in Hnjótur
Freitag, 15. Juli: Holtavörðurheiði – Borgarnes – Stykkishólmur(Ist der Koch Isländer?)/ 175 km
23. August 2016 Marsollek
Islandkarte 20-21
Ich wache schon um 3.30 Uhr auf. Sonnenstrahlung wärmt von links(?) meinen Ellenbogen auf. Kein Regen mehr? Kein Nebel? Kaum dass ich das Zelt verlasse, bin ich augenblicklich wach: Durch ein Wolkenloch im Nord-Nordosten, tief am Horizont, scheint die Sonne hindurch und tunkt die Landschaft ringsum in wunderschöne Farben.
Es ist Windstill. Die dicken, fetten Moospolster der Landschaft und des mich von der Ringstraße abschirmenden Felsens schlafen noch. Die paradiesische Stille wird nur gelegentlich akzentuiert durch kurze „Sonnengesangs“-Sequenzen miteinander kommunizierender aber kilometerweit verstreuter Singschwänepaare in ihren von meiner „Hochwarte“ aus wie Pfützen anmutenden kleinen Seen um mich herum. Ich mache viele faszinierende Fotos und…,
…beginne zu packen, wobei die meisten Stücke schon reisefertig verpackt im Außenzelt „übernachteten“. Leichter, leiser Wind kommt auf. In Fahrtrichtung. Trotz des nur kurzen Schlafes fühle ich mich ausgeruht und richtig gestärkt von der Abendmahlzeit, freue mich auf die bevorstehende, viele Kilometer lange Abfahrt …
Die nur einen guten Steinwurf weit entfernte Ringstraße ist im Stehen gut auszumachen.
Das Gepäck ist schon oben, Zelt und Rad folgen…
Von dort bin ich gestern hergeradelt…
… und nach dort, zunächst in Richtung Borgarnes rollt es gleich weiter (auf den kommenden 40 Kilometern wird mir nur ein Fahrzeug mit einem eiligem Chaufeur und schlafendem Beifahrer drinnen entgegen kommen, aber viele verdutzte Schafe glotzend am Rand oder auf der Ringstraße stehen – meistens Mutterschafe mit zwei Lämmern -, die ihren Weg auf die Fahrbahn gefunden haben und von meiner Messingklingel vorsichtshalber kurz, dezent und immer wirkungsvoll aus etwa 100 m Entfernung „weggeklingelt“ werden).
Kurz nach fünf starte ich und blicke von der Straße aus sehr dankbar auf die bemooste Steinformation hinunter, hinter der verborgen – gerade 89 Schritte entfernt (ich habe es gezählt) – noch vor einer Viertelstunde das Zelt stand. Nur 300 m und der höchste Punkt der Strecke ist erreicht. Ich komme bergab gerade gut in Schwung, passiere die Gemeindegrenze von Borgarnes. Nanu…, da klingelt der Wecker!…
Nach kurzem Stop geht es im „Sausetritt“ 20 km bergab über eine wunderschöne Landschaft. Der Fluss begleitet mich, wechselt mehrfach die Straßenseite. Etwa einen Kilometer vor mir fliegt ein Schwan von seinem Gewässer hoch, kommt auf Erkundungsflug auf mich zu und beginnt wenige Meter über meinem Kopf einen wunderlangen Gesang. Traumhaft, sonst hörte ich schon oft auf meiner Fahrt oder im Zelt die Singschwäne durch kurze Beiträge ihrem Namen alle Ehre zu machen: dieser Vogel scheint mir ein Morgenkonzert geben zu wollen…
Im Flug kann ich die nordischen Schwäne von „unseren“ nicht unterscheiden, beim nahen Vorbeiflug aber wirken der hellgelbe Schnabel und der schlanke Kopf viel windschnittiger – sie sind es wohl auch – als die Köpfe ihrer südlicheren Kumpane…
Nach weiteren 10-15 km bleibe ich vor einem ganz frisch gebildeten Vulkan, mit einer bequem mittels Holzstiegen aufbereiteten Aussichtsaufstiegsmöglichkeit zum Kraterrand kurz vor Bifröst stehen an einem Parkplatz mit eingefriedetem Rasenstück. Der gehört zu einem Vulkansystem von mehreren Kratern, frisch ausgebrochen vor gerade einmal 1000 Jahren… Mehrere Autos mit Insassen „übernachten“ auf dem Parkplatz mit Informationstafeln. Wunderbar für mich: Frühstück und Zelttrocknung im windigen Sonnenlicht…
Der Wind meint es gut mit mir, baut sich in Richtung Borgarnes für mich auf und schiebt mich kräftig.
Die Vulkanlandschaft vermittelt den Eindruck als ob der Ausbruch erst gestern stattgefunden hätte…
Bilder oben: „Fern-Universitätsort“ Bifröst…
Vom Fjord kommt leichter Regen auf, der aber bald aufhört. Die letzten Kilometer vor der Stadt verstärkt sich der starke Wind noch und dreht um 90° in Richtung meiner nächsten Station, die ich dann heute vielleicht doch noch erreichen kann: Stykkishólmmur. Von dort aus kann mich die kleine Fähre zu den Papageitauchern bringen…
Am Kreisel wenige Kilometer vor Borgarnes stocke ich kurz: 97 km bis zur Fahre, sagt mir das Schild. Na dann wollen wir ja hoffen – mein Rad und ich –, dass das Gelände nicht zu schwer ist.
Noch ein Kreisel, die Ringstraße Nr.1 biegt nach links in Richtung der für mich nur noch knapp eine Tagestour entfernten Hauptstadt ab. Ich muss geradeaus. Für den Proviant reicht das Geld noch, ich muss aber auch zur Bank.
Der Wind verstärkt sich inzwischen so sehr, dass er beim Proviantverstauen, von mir unbemerkt, die stehende halbvolle 2l-Mineralwasserflasche wegkickt. Einer der Autofahrer, die sich fürs Wochenende mit Bier versorgten und ihre Gepäckräume „befüllen“, bringt sie mir: Gelegenheit zum Gespräch. Fremdbestimmtes Thema: Natürlich meine Radtour, „Island rund mit Umwegen in 19 Tagen!!!
Am Bankautomaten 40.000 Kronen/300€ abgehoben, die Gebühr beträgt dafür nur etwa 1,50€.
Zurück zum Kreisel nach Stykkishólmmur. Viele Autos, Großstadtgetriebe. Der Seitenwind wirft mich fast um.
Nach dem Einbiegen herrliche Windfahrt.
Nach 30 km staubige Essenspause am Straßenrand. Weiter.
Nanu, eine Fata Morgana? Sehe ich da einen Pferdekopf?
Nein, es ist nur eine feuchte Stelle in der Böschung…, wahrscheinlich ist mein Wahrnehmungsvermögen etwas getrübt durch die gestrige Reiterfahrung… War das erst gestern mit dem Reiten??? Auch die Wahrnehmung der Zeit scheint gestört zu sein…
Aus dem Reisetagebuch: In Wegamót am Tankstellenrestaurant Essenspause. Viele deutsche, mein Rad wird bewundert, ich bleibe drinnen. Sehr nette Bedienung: Magndis, die mich zum leckeren vegetarischen Burger mit Salat überredet. Freudiges, ungläubiges Staunen über mein Isländisch. Eine große Karaffe Wasser zum Burger. Der selbst schmeckt herrlich, wohl der beste fleischlose Hamburger, den ich seit einem unserer Adventsbasare vor vielen Jahren vom inzwischen verstorbenen ehemaligen Chefkoch des Herdecker Gemeinschaftskrankenhauses BÖHM serviert bekam, der seinen Sohn Jan in meinem ersten Klassenlehrerdurchgang schickte (viele liebe Grüße auch an die Mama, lieber Jan, falls Du dies lesen solltest…).
Der Salat mit vielen Zwiebeln und köstlich gewürzt: „Ist der Koch Isländer?“, frage ich ungläubig Magndis. „Nein, Spanier“, antwortet sie lachend!
Ich bitte den Koch zum offiziellen Abschiedsfoto, der kommt hocherfreut mit seinem Helfer aus der Küche heraus, Magndis gesellt sich dazu, ein freundlicher Isländer übernimmt auf meine Bitte hin den Fotografendienst.
Ich entschuldige mich, dass ich noch kein Spanisch kann und es erst im übernächsten Jahr, nach Italienisch 2017 angehen will.
Die allgemeine Freude ist groß, ich verspreche, bei meiner Rückreise nochmals „auf einen Hamburger“ vorbeizuschauen…
Die frische Asphaltdecke ist oft grob, scharf (wie ich am Abrieb meiner Reifen deutlich feststelle) und am Rande oft noch völlig unbefestigt: Gefährliche Sturzfalle für unaufmerksame Radler…
Aus dem Reisetagebuch:
Weiter. Ein mehrere hundert Meter hoher Anstieg auf den letzten 40 km.
Mitte des Berges holt mich ein isländischer Radrennfahrer (Sigurd?42) ein. Er wohnt in Reykjavik, verbringt das Wochenende hier und dreht eine 160km Nachmittagsrunde. Sportlich!!!
„Mein Freund sei auf einer Weltreise“, sagt er, „von Dänemark aus nach Asien, Vietnam, Kambodscha und zurück, zur Zeit in Frankreich auf dem Weg nach Schottland“. „Nach Schottland wollte ich eigentlich diesen Sommer hin“, erzähle ich ihm, „beschloss aber, lieber dieses Jahr nach den skandinavischen Sprachen Isländisch zu lernen und die Insel per Rad zu umrunden“.
„Jau, jau,(so klingt „ja“ auf Isländisch), ich höre deinen skandinavischen Akzent“, entgegnet er mir, was ich als ein übergroßes Kompliment empfinde.
„Kommt noch ein großer Anstieg bei der Weiterfahrt?“, frage ich, als wir plötzlich oben sind.
„Nein, das war schon alles, jetzt geht es nur noch herunter“ entgegnet er mir lachend. Wir bedanken uns gegenseitig fürs Gespräch, wünschen einander „god ferð“ und weg ist er!
Aus dem Reisetagebuch: Gegen 20.15 Uhr komme ich auf dem übervollen, großen Campingplatz in Stykkishólmmur an. Internet frei, aber sehr schwach. Bilder können nicht verschickt werden. Kurzes Gespräch mit einem isländischen Baby, das zufällig seinen Ball auf mein Zelt warf und danach ein Gespräch mit zwei jungen Isländerinnen aus Reykjavik, die ganz eng neben mir Zelten.
Ich falle um 22.30 in Schlaf. Die Fähre geht morgen um 9.00 Uhr.
„Open air Duschkabine“, mit Himmelblick direkt an das Sanitärgebäude ohne Duschen „gepappt“. Gratis, aber eine luftige Angelegenheit bei unter 10°C Lufttemperatur… Zwei davon müssen für den gesamten Campingplatz ausreichen…
Oben/Unten: „Kontraste“ hinsichtlich verschiedener Übernachtungsmöglichkeiten nur 175 km voneinander entfernt (So lang war tatsächlich meine heutige, wenig anstrengende aber sehr „erlebnisbunte“ Tagesetappe auf dem Weg zu den nicht weniger bunten Papageitauchern, denen ich in Bälde zuhauf am Látrabjarg, einem der weltgrößten Vogelfelsen (14 km lang, über 400 m hoch) tatsächlich mitunter „auf Armabstand“ begegnen werde…).